Herausgabe von Geschäftsunterlagen
Unterlagen, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber während des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung gestellt bekommen hat (§ 667 Alt. 1 BGB) und die er durch einen Schriftverkehr mit Dritten – mit Kunden oder anderen – erhalten hat (§ 667 Alt. 2 BGB), muss er nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nach § 667 BGB herausgeben. Aus der Geschäftstätigkeit i.S.d. § 667 BGB erlangt sind auch die vom Arbeitnehmer selbst gefertigten Akten, sonstige Unterlagen und Dateien. Ausgenommen sind nur private Aufzeichnungen.
Das BAG hat in einem Urteil vom 14.12.2011 (Az.: 10 AZR 283/10) entschieden, dass dem Arbeitnehmer kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB an diesen Geschäftsunterlagen zusteht, wenn er diese staatlichen Behörden (z. B. der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin - und der Staatsanwaltschaft) übergeben hat oder übergeben möchte.
Ein ehemaliger Vorstandsassistent hatte nach seinem Ausscheiden zwar die vom früheren Arbeitgeber erhaltenen Arbeitsmittel zurückgegeben, aber andere Unterlagen im Zusammenhang mit einer geplanten Übernahme seines früheren Arbeitgebers durch ein anderes Unternehmen der BaFin und der Staatsanwaltschaft übergeben. Der frühere Arbeitgeber verlangte Herausgabe der Unterlagen sowie im Wege der Stufenklage Auskunft und Herausgabe weiterer Unterlagen, die nach Auffassung des früheren Arbeitgebers noch im Besitz des beklagten Arbeitnehmers gewesen sein sollten.
Das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers besteht deshalb nicht, weil der Arbeitnehmer mit der Anzeige bei der BaFin und der Staatsanwalt seine staatsbürgerlichen Rechte – zu denen er berechtigt sei, soweit er keine wesentlichen unwahren oder leichtfertig falschen Angaben mache – ausgeübt habe. Dann folge daraus noch kein Recht, die streitgegenständlichen Geschäftsunterlagen weiterhin behalten zu könne. Er könne – wenn er sie für mögliche spätere zivil- oder strafrechtliche Verfahren zur eigenen Verteidigung benützen müsste – Akteneinsicht in den entsprechenden Verfahren geltend machen. Dies gelte umso mehr, als darauf ein Anspruch bestünde, wenn entlastendes Material in den Akten enthalten sei. Der Fertigung von Kopien bedürfe es nicht. Das BAG wörtlich: „Eines Zurückbehaltungsrechts an den Geschäftsunterlagen zum Zwecke einer künftigen Verteidigung in einem Zivil- oder Strafverfahren bedarf es demgemäß nicht.“
Da nicht sicher war, ob der beklagte Arbeitnehmer noch weitere Kopien hatte, stand dem Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 666 BGB ein Anspruch auf Auskunftserteilung über den Umfang der in seinem Besitz befindlichen Geschäftsunterlagen zu (vgl. dazu auch ErfK/Preis, 12. Auflage 2012, § 611 BGB, Rz. 23).
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Bemerkungen des BAG zur allgemeinen Ausgleichsklausel im § 16 der zwischen den Parteien geschlossenen Aufhebungsvereinbarung. Dort war mit der Erfüllung der Aufhebungsvereinbarung die Abgeltung wechselseitiger Ansprüche der Parteien aus dem Dienstverhältnis geregelt worden. Weil der Herausgabeanspruch seinen Grund in der arbeitsvertraglichen Beziehung habe, sei er dem Grunde nach von der Ausgleichsklausel erfasst. Auch wollten mit einer Ausgleichsklausel die Parteien auch die Ansprüche erledigen, gleichgültig ob sie bei Vertragsabschluss an diese gedacht haben oder nicht.
Das BAG ist der Auffassung, dass von Ausgleichsklauseln in Aufhebungsverträgen solche Forderungen regelmäßig nicht erfasst sind, die im fortbestehenden Arbeitsverhältnis zeitlich nach Vereinbarung der Ausgleichsklausel entstehen oder bereits entstanden sind, jedoch von den Parteien eines Aufhebungsvertrages typischerweise nicht bedacht werden können (dazu verweist das BAG auch auf sein Urteil vom 11.10.2006 - 5 AZR 755/05 Rz. 24). Das sei bei dem Herausgabeanspruch der Fall. Zwar sei keine Herausgabepflicht im Aufhebungsvertrag vereinbart gewesen. Die Weitergeltung der Verpflichtung zur Wahrung von Dienstgeheimnissen sei aber ausdrücklich im Aufhebungsvertrag erwähnt gewesen. Deshalb unterfalle der Herausgabeanspruch nicht der Ausgleichsklausel. Noch klarer wäre das Ergebnis gewesen, wenn die Pflicht zur Herausgabe von Unterlagen, Kopien usw. und der Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten ausdrücklich vereinbart gewesen wäre, was in der Gestaltungspraxis regelmäßig geschieht.