Hinweisgeberschutz – Die unendliche Geschichte und ungeklärte Fragen
Die Richtlinie (EU) 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, harrt auch weiterhin ihrer Umsetzung in Deutschland. Am 17.12.2021 ist die Umsetzungsfrist abgelaufen. Mittlerweile hat die EU-Kommission gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben. Der Gesetzgeber bemüht sich um Abhilfe, gerät dabei allerdings an seine verfassungsrechtlichen Grenzen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes (BT-Drucksache 20/3442), den der Bundestag am 16.12.2022 angenommen hatte, hat die Hürde der Zustimmung des Bundesrats nicht genommen; die unionsgeführte Länderkammer wehrt sich insbesondere gegen die Ausweitung des Geltungsbereichs des HinSchG-E dahingehend, dass richtlinienüberschießend nicht nur Verstöße gegen das Unionsrecht erfasst sein sollen.
Das Gesetzespaket wurde daraufhin in zwei Teile aufgespalten (BT-Drucksachen 20/5991 und 20/5992); die eigenständige Regelung des Hinweisgeberschutzes im Landesdienst sollte die Zustimmungsbedürftigkeit des (Haupt-) Gesetzes beseitigen. Nach einer Sachverständigenanhörung am 27.3.2023 wurde die für den 30.3.2023 anberaumte 2. und 3. Lesung der Gesetzentwürfe im Bundestag allerdings kurzfristig wieder abgesagt; zu groß waren die verfassungsrechtlichen Bedenken der Sachverständigen gegen die Aufspaltung des Gesetzentwurfs.
Der Gesetzgeber bleibt damit auch weiterhin in der Pflicht, einen sachgerechten Vorschlag zur Umsetzung der Hinweisgeberrichtlinie vorzulegen. Dabei bietet die gesetzgeberische Verzögerung die Gelegenheit, einen bislang wenig beachteten Webfehler des Gesetzentwurfs zu korrigieren.
- Dieser sieht nämlich vor, dass Hinweisgeber sich wahlweise an interne oder externe Meldestellen wenden können: Wenn auch politisch umstritten ist, ob es eine Verpflichtung zur vorrangigen Nutzung interner Meldestellen geben soll – der Gesetzentwurf sieht hiervon bislang ab, es sollen lediglich Anreize zugunsten einer internen Meldung gesetzt werden – so scheint doch der Gesetzgeber davon auszugehen, dass sich Beschäftigte lediglich an die interne Meldestelle des eigenen Unternehmens sollen wenden dürfen. Die Gesetzesbegründung verweist insoweit darauf, dass zwei Meldewege für hinweisgebende Personen vorgesehen seien, zwischen denen hinweisgebende Personen frei wählen könnten; dies seien zum einen „interne Meldekanäle innerhalb des betroffenen Unternehmens oder der betroffenen Behörde, zum anderen externe Meldekanäle, die bei einer unabhängigen Stelle eingerichtet“ würden (BT-Drucksache 20/5992, S. 34).
- Interne Meldestellen sollen ihre Meldekanäle jedoch auch über den Kreis der eigenen Beschäftigten hinaus für Personen öffnen können, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Betreiber der Meldestelle in Kontakt stehen, § 16 Abs. 1 Satz 3 HinSchG-E. Hinweisgeber sollen darüber hinaus gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HinSchG-E frei wählen können, ob sie sich an eine interne Meldestelle oder eine externe Meldestelle wenden. Damit steht es hinweisgebenden Personen nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfs frei, ob sie die interne Meldestelle des eigenen Unternehmens wählen oder die interne Meldestelle eines anderen Unternehmens, etwa eines Wettbewerbers, eines Kunden oder eines Lieferanten des eigenen Arbeitgebers.
Der Gedanke, dass die interne Meldung in denjenigen Fällen bevorzugt werden soll, in denen in dem betroffenen Unternehmen selbst wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und der Hinweisgeber keine Repressalien zu befürchten hat (vgl. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie), wird damit konterkariert; zudem birgt die Meldung bei anderen „internen“ Meldestellen als derjenigen des betroffenen Unternehmens erhebliches Missbrauchspotential. Es wäre deshalb zu begrüßen, würde der zu erwartende Gesetzentwurf diese Frage einer Lösung zuführen.
Hinweis der Redaktion
Mehr zum Thema: Oberthür, Der neue Hinweisgeberschutz, ArbRB 2022, 378 ff. Auch abrufbar im Gratis-Test des Arbeits-Rechtsberaters (Zeitschrift + Datenbank) oder des Aktionsmoduls Arbeitsrecht.