In Sachen Dr. A. u.a.: Der richtige Umgang mit zweifelhaften Testnachweisen in Zeiten der Pandemie
Beschäftigte dürfen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten, wenn sie eine geimpfte Person, genesene Person oder getestete Person sind und einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis mit sich führen, zur Kontrolle verfügbar halten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt haben (3G). In der täglichen Praxis der Unternehmen tauchen allerdings vermehrt Testnachweise auf, die äußerst zweifelhaft sind.
1. Angebote im Internet Derartige Testnachweise werden insbesondere von einem Dr. A. im Internet angeboten.
In drei Schritten kommt demnach ein Beschäftigter zu einem kostenlosen Testzertifikat. Er muss sich lediglich ein Antigen Selbsttest-Kit besorgen, Datum und Initialen vorne auf die Plastik-Testkassette ritzen oder schreiben und zwei Fotos vor bzw. nach dem Selbsttest hiervon erstellen. Zusätzlich muss dann nur noch ein Fragebogen beantwortet werden. Nach einer entsprechenden Verifizierung erstellen dann vermeintliche Online-Ärzte ohne Terminvereinbarung und ohne Gespräch das vermeintlich gültige Test-Zertifikat bereits 5 Minuten nach Bestellung. Das Online-Test-Zertifikat soll dann zusätzlich nur noch die Vorlage der zwei Fotos, der Testkassette und des Personalausweises erfordern. Optional wird ein Videochat während der Durchführung des Tests angeboten. Derselbe Anbieter war bereits in der Vergangenheit durch Online-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgefallen, mit denen Arbeitnehmer ihre Nachweispflicht im Krankheitsfall nach § 5 EFZG allerdings nicht erfüllen konnten, da eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU), die auf diesem Weg erstellt wird, u.a. mangels persönlicher körperlicher Untersuchung nicht den Anforderungen des BAG entspricht (BAG v. 11.8.1976 – 5 AZR 422/75, ausf. hierzu Kleinebrink, Das Ende des hohen Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch Krankschreibungen „per Knopfdruck“?, ArbRB 2019, 147 ff.).
Wenig zimperlich wirbt der Anbieter auch in einem Musterbrief bei Arbeitgebern für die Anerkennung seiner Testate. Empfohlen wird bereits ein E-Mail-Text, den Arbeitgebern an ihre Mitarbeiter versenden sollen. Wörtlich heißt es dann am Ende dieses Briefes:
„Falls Sie unser Test-Zertifikate dennoch nicht akzeptieren sollten, muss ich Sie leider vorsorglich auf folgendes hinweisen: Wir bieten allen Arbeitnehmern bei Lohnverweigerung an, den vollen Lohns erstatten, den wir dann vom Arbeitgeber auf eigene Namen eigene Rechnung einklagen.“ Unterschrieben ist dieser Musterbrief mit „Dr. jur. A., Rechtsanwalt und Geschäftsführer.
Nach Presseberichten ist Anzeige gegen den Betreiber der Seite erstattet worden; die Hamburger Polizei prüft den Anfangsverdacht einer Straftat. Eine solche Anzeige soll auch durch die Hamburger Sozialbehörde erfolgt sein. Als Reaktion hierauf soll der Anbieter der Seite offenbar versuchen, Druck auf die für das Gesundheitssystem zuständige Behörden in ganz Deutschland aufzubauen, indem insbesondere das baden-Württembergische Gesundheitsministerium mit E-Mails geflutet wird. Dort sollen tausende von E-Mails eingegangen sein, die einen Newsletter enthalten, in dem der Betreiber der Seite für die Beibehaltung der kostenlosen Online-Selbsttest-Zertifikate kämpft (s. ausf. https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/corona-tests-157.html Abruf 5.12.2021).
2. Ungeeignete Testnachweise Derartige Online-Zertifikate – die auch für Genesenennachweise erhältlich sind – erlauben es Beschäftigten nicht, den Betrieb zu betreten. Sie erfüllen die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Testnachweise i.S.d. § 28b Abs. 1 IfSG nicht.
Die entsprechenden Anforderungen ergeben sich aus der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung (SchAusnahmV). Nach § 2 Nr. 7 SchAusnahmV ist ein Testnachweis ein Nachweis hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem Corona-Virus in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn bestimmte arbeitsmedizinische Verfahren durchgeführt wurden. Die zugrunde liegende Testung darf maximal 24 Stunden zurückliegen. Außerdem muss er
- entweder vor Ort unter Aufsicht desjenigen stattfinden, der der jeweiligen Schutzmaßnahme unterworfen ist (§ 2 Nr. 7a SchAusnahmV). Ein Testnachweis nach dieser Vorschrift gilt nur an dem Ort, an dem die Testung beaufsichtigt wurde. Die die Testung begleitende Person muss unterwiesen sein. Hierbei handelt es sich insbesondere um den Arbeitgeber oder von ihm beauftragte Personen. Durch den Hinweis "vor Ort" ist eine Online-Testung ausgeschlossen.
- Denkbar ist ferner, dass die Testung im Rahmen einer betrieblichen Testung durch eine Person erfolgt, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besitzen. Dies folgt aus § 2 Nr. 7b SchAusnahmV. Auch dies verlangt demnach eine Anwesenheit.
- Letztendlich kann die Testung von einem Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Coronavirus-Testverordnung (TestVO) vorgenommen oder überwacht werden. Dies regelt § 2 Nr. 7c SchAusnahmV.
Die Vornahme oder Überwachung setzt nach der Coronavirus-Testverordnung grundsätzlich die Anwesenheit des Leistungserbringers vor Ort voraus. Testungen, bei denen zum Beispiel ein Arzt über Video die Durchführung eines Schnelltest überwacht, berechtigen nicht zum Zugang zur Arbeitsstätte nach § 28 b Abs. 1 IfSG. Dies gilt erst recht, wenn noch nicht einmal eine solche Videoüberwachung stattgefunden hat, sondern von dem Arbeitnehmer lediglich Fotos eingeschickt werden. Ein Test durch einen Arzt gemäß § 2 Nr. 7 SchAusnahmV erfordert in Verbindung mit § 6 Abs. 1 TestVO und § 1 Abs. 1 TestVO neben dem Gespräch, einer Diagnostik und Ergebnismitteilung auch die Entnahme von Körpermaterial. Zwar sind nach § 1 Abs. 1 TestVO auch Antigentests zur Eigenanwendung unter Aufsicht zulässig, aber nur, wenn deren Durchführung von einem Leistungserbringer nach § 6 TestVO vor Ort überwacht wird. Hierbei handelt es sich dann um den sogenannten überwachten Antigen-Test zur Eigenanwendung.
3. Auswirkungen auf die Kontrollpflichten des Arbeitgebers Arbeitgeber müssen nach § 28b Abs. 3 Satz 1 IfSG bei Ungeimpften und Nichtgenesenen die Testnachweise kontrollieren und die Nachweiskontrollen regelmäßig dokumentieren. Unterlassen Sie dies, handeln sie nach § 73 Abs. 1a Nr. 11d IfSG ordnungswidrig. Eine solche Ordnungswidrigkeit kann nach § 73 Abs. 2 IfSG mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 € geahndet werden.
Legen Arbeitnehmer vor Betreten des Betriebs Testnachweise vor, müssen diese öffentlich-rechtlich nach dem IfSG nur daraufhin überprüft werden, ob sie offensichtlich nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Eine derartige Offensichtlichkeit wird man bei Testnachweisen, die von einem Dr. A. stammen, nicht annehmen können. Aus dem Testnachweis geht nicht hervor, auf welche Weise er zustande gekommen ist. Allein ein bestimmter Name lässt hierauf keine Rückschlüsse zu. Auch der Name allein beweist nicht, dass es sich gerade um den Betreiber der fraglichen Seite handelt; es kann eine Namensgleichheit vorliegen. Sollten wider Erwarten die Testnachweise doch als rechtmäßig eingestuft werden, würden Arbeitgeber, die Arbeitnehmer, die solche Testnachweise vorliegen, nicht haben arbeiten lassen, ansonsten privatrechtlich nach § 615 Satz 1 BGB in Annahmeverzug geraten sein und Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung zahlen müssen, sofern die Arbeitnehmer entsprechende Ansprüche geltend machen. Es ist nach dem IfSG nicht Aufgabe der Arbeitgeber, ein entsprechendes finanzielles Risiko einzugehen, solange keine eindeutigen rechtlichen Grundlagen oder rechtskräftige höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen.
4. Reaktionsmöglichkeiten für Arbeitgeber Arbeitgeber, die das genannte Restrisiko nicht scheuen, sollten vorab ihre Belegschaft durch Aushänge oder auf ähnliche Weise darüber informieren, dass sie entsprechende Testnachweise nicht anerkennen und Arbeitnehmern den Zugang zum Betrieb verweigern werden, sofern sie solche Testate vorlegen.
Legen Arbeitnehmer dennoch entsprechende Testate vor, sollten diese dann tatsächlich nicht anerkannt und sollte den entsprechenden Arbeitnehmer der Zutritt zum Betrieb verweigert werden. Diese Testate allein berechtigen nicht zum Zutritt zum Betrieb, da ihr Beweiswert als Zugangserlaubnis erschüttert ist. Die Fallgestaltung ist vergleichbar mit Arbeitsfähigkeitsbescheinigungen, die Arbeitgeber verlangen, um sicherzugehen, dass eine Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern nicht deren Gesundheit gefährdet. Auch mithilfe dieser Bescheinigungen wollen Arbeitnehmer folglich erreichen, dass sie ihre Arbeitsleistung erbringen können (ausf. Kleinebrink, ArbRB 2002, 274 ff.).
Bestreitet der Arbeitgeber, dass das Zertifikat ordnungsgemäß ist, sollte er Zweifel an dessen Ordnungsmäßigkeit darlegen. Einen etwaigen Beweiswert erschüttert der Arbeitgeber allein dadurch, dass er auf den Aussteller und den Betreiber der genannten Internetseite sowie die auf ihr erklärten „Testverfahren“. verweist. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass das entsprechende Testat dennoch ordnungsgemäß ist. Dies wird ihm wohl nur dann gelingen, wenn er beweisen kann, dass das Testat nicht von dem Betreiber der Seite, sondern von einem anderen Arzt gleichen Namens ausgestellt wurde, der nicht Betreiber der Seite ist oder für den Betreiber tätig ist oder es wider Erwarten ausnahmsweise doch im Rahmen eines Tests unter gleichzeitiger Anwesenheit von Arzt und Arbeitnehmer erstellt wurde.
5. Auswirkungen auf das Betretungsrecht und die Nachweispflicht der Arbeitnehmer Arbeitnehmer, die entsprechende Testate bei sich führen, dürfen demnach den Betrieb nach § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht betreten. Für sie gilt dasselbe wie für den Arbeitgeber hinsichtlich dessen Kontrollpflicht. Sie laufen Gefahr, eine Ordnungswidrigkeit nach § 73 Abs. 1a Nr. 11b IfSG zu begehen, die mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 € geahndet werden kann.
Sie erfüllen außerdem mit derartigen Testnachweisen die Ihnen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG obliegende Nachweispflicht bei Kontrollen nicht. Öffentlich-rechtlich wird man ihnen dies aber ebenso wie Arbeitgebern aus den oben unter 4. genannten Gründen derzeit nicht entgegenhalten können. Für sie besteht aber die Gefahr, dass Arbeitgeber arbeitsrechtlich das geschilderte Restrisiko eingehen und ihnen das Betreten des Betriebs untersagen. Sie erhalten dann kein Arbeitsentgelt und müssen versuchen, einen entsprechenden Anspruch nach § 611a Abs. 2 BGB, § 615 Satz 1 BGB gerichtlich durchzusetzen. Außerdem drohen ihnen arbeitsrechtliche Sanktionen von der Abmahnung bis zur Kündigung, wenn dann Gerichte derartige Testate nicht anerkennen.
6. Fazit Es ist zu wünschen, dass Ärztekammern, Rechtsanwaltskammern, Gesundheitsämter, Verbraucherschutzverbände und Strafverfolgungsbehörde alles nur Mögliche unternehmen, um eine Sperrung der entsprechenden Seiten zu erreichen. Baldmöglichst sollte außerdem eine eindeutige öffentlich-rechtliche Grundlage geschaffen werden, um derartige „Angebote“ zu beseitigen. Mit einem Betrieb derartiger Seiten und den darin geschilderten Testmethoden wird die Gesundheit der Bevölkerung in erheblichem Maß gefährdet. Zu Recht kommt das Bundesgesundheitsministerium zu der Einschätzung:
„Testnachweise im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung, die in Deutschland im Rahmen von impf-, genesenen- oder testnachweisbezogenen Schutzkonzepten (sogenannte 3G-Konzepte) verwendet werden sollen, dürfen nicht auf einer bloßen videoüberwachten Selbsttestung beruhen.“ (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/nationale-teststrategie/faq-covid-19-tests.html, Stand 3.12.2021)
Erst recht muss dies gelten, wenn noch nicht einmal eine solche Videoüberwachung stattgefunden hat, um einen Testnachweis zu erhalten.