05.02.2015

Institutioneller Rechtsmissbrauch bei Sachgrundbefristungen

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Detlef Grimm

Das ArbG Freiburg hat in einem Urteil vom 16.12.2014 (Az.: 4 Ca 339/14) abstrakte Indizien im Rahmen der Konkretisierung der einzelfallbezogenen Rechtsprechung des BAG zum „institutionellen Rechtsmissbrauch“ bei Befristungen aufgestellt. Die kumulative dreifache Überschreitung der für die sachgrundlose Befristung geltenden Grenzen des § 14 Abs. 2 TzBfG indiziere bei der Befristung aus sachlichem Grund institutionellen Rechtsmissbrauch.

Im konkreten Fall war die Klägerin seit 2005 auf der Basis von 11 Arbeitsverträgen, zunächst auf der Grundlage der SR 2 y BAT, später im Rahmen von Projekt- und Zweckbefristungen beim Beklagten tätig gewesen. Zuletzt hatte sie sich mit der „Ermittlung langjähriger CO2-Emmissionen und Beurteilung der Moore Oberschwabens auf der Basis historischer und aktueller Höhennivellements“ beschäftigt.

Die vom BAG auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH und mit dem dogmatischen Ansatz des § 242 BGB begründete Rechtsmissbrauchskontrolle (dazu zuletzt vom Stein, NJW 2015, 369 ff.) geht in zwei Prüfungsstufen vor. Maßgeblich ist zum einen die Gesamtdauer und die Zahl einzelner Vertragsverlängerungen und zum zweiten eine Gesamtabwägung. Vom Stein deutet die Rechtsprechung des BAG (nachgewiesen in NJW 2015, 369, 371 f) dahin, dass institutioneller Rechtsmissbrauch indiziert ist, wenn die Dauer der Befristung oder die Anzahl der Befristungen die Grenzwerte nach § 14 Abs. 2 TzBfG um das Fünffache überschreiten oder bei einer kumulativen Überschreitung der Schwellenwerte (also auch eine Überschreitung der Höchstzahl der Befristungen) um mehr als das Vierfache. Dies sieht auch ein Teil der Literatur so (Kiel, Jahrbuch Arbeitsrecht 50 (2013), 25, 46 und Bonanni/Schmidt, ArbRB 2013, 216, 218). Bonanni/Schmidt a.a.O. sprechen von einer „4+4 und 5+3 Regel“.

Weiter geht das Arbeitsgericht Freiburg im seinem Urteil vom 16.12.2014 (4 Ca 339/14). Aus dem Umstand, dass bei der Beschäftigungsdauer ein vierfaches Überschreiten des Zwei-Jahreszeitraums vorgelegen habe und bei der Zahl der Befristungen statt der bei sachgrundloser Befristung dreimal zulässigen Verlängerung insgesamt eine 10malige Verlängerung vorgelegen habe und damit ein Überschreiten der Grenzwerte des § 14 Abs. 2 TzBfG um mehr als das Dreifache vorliege, leitet es ab, dass ein rechtsmissbräuchlicher Rückgriff auf das Institut des befristeten Arbeitsverhältnisses vorgelegen habe. Es formuliert:

„Dies vorausgesetzt, überschreitet der vorliegende Sachverhalt kumulativ sowohl bei der Länge der Beschäftigung als auch bei der Zahl der Befristungen die Schwellenwerte des § 14 Abs. 2 TzBfG um mehr als Dreifache. Dies hat das Gericht nicht nur zu einer Missbrauchskontrolle zu veranlassen (als Stufe 1 der Überprüfung), sondern stellt zugleich ein gewichtiges Indiz für den Missbrauch selbst dar.“

Das ArbG Freiburg spricht sich in gewisser Distanzierung von der ganz am Einzelfall orientierten Rechtsprechung des BAG dafür aus, zur Bewertung institutionellen Rechtsmissbrauchs feste zeitliche Grenzen herauszuarbeiten und konkrete Parameter zu benennen, an denen sich die Praxis orientieren kann.

Ein interessantes Urteil, das dazu führen kann, die Grenzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs bzw. die Indizwirkung quantitativ genauer zu konkretisieren. Wir dürfen gespannt sein, wie sich der 7. Senat des BAG unter neuem Vorsitz und in auch sonst teilweise veränderter Besetzung der Fragestellung annehmen wird.

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