24.08.2016

Kein Präventionsverfahren innerhalb der Wartefrist

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Axel Groeger

Der Arbeitgeber ist nach einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des BAG vom 21.4.2016 (8 AZR 402/14) nicht verpflichtet, innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen. Nach § 84 Abs. 1 SGB IX ist der Arbeitgeber bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, verpflichtet, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 SGB IX genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt einzuschalten, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. 

In einem am 1. Oktober 2012 begonnenen Arbeitsverhältnis hatte der Arbeitgeber bereits am 18. Januar 2013 der Hauptschwerbehindertenvertretung im Rahmen eines Gesprächs mitgeteilt, dass die schwerbehinderte Arbeitnehmerin seine Erwartungen bislang nicht erfüllt habe. Am 11. Februar 2013 führte er mit der Arbeitnehmerin ein Personalgespräch, in dem er diese über seine Absicht informierte, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit zu beenden. Mit Schreiben vom 8. März 2013 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum Ablauf des 31. März 2013.

§ 84 Abs. 1 SGB IX knüpft mit dem Begriff der „personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten“ Schwierigkeiten an die Terminologie des § 1 Abs. 2 KSchG an. Soweit § 84 Abs. 1 SGB IX - anders als § 1 Abs. 2 KSchG - nicht das Vorliegen von Kündigungsgründen fordert, sondern Schwierigkeiten und damit Unzuträglichkeiten, die noch nicht den Charakter von Kündigungsgründen aufweisen, ausreichen lässt, beruht dies darauf, dass das in § 84 Abs. 1 SGB IX geregelte Verfahren ein präventives Verfahren ist, das dem Entstehen von Kündigungsgründen zuvorkommen soll.

In der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG kommt es jedoch auf einen Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht an. Vielmehr sollen die Parteien während dieser Zeit prüfen können, ob sie sich dauerhaft vertraglich binden wollen. Die Bindung des Arbeitgebers während der Wartezeit ist mit Rücksicht auf seinen Grundrechtsschutz nach Art. 12 GG gering ausgeprägt. Der Arbeitgeber kann aus Motiven kündigen, die weder auf personen-, verhaltens- noch betriebsbedingten Erwägungen beruhen, solange die Kündigung nicht aus anderen Gründen unwirksam ist. Es bedarf noch nicht einmal irgendwie gearteter „Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis“ i.S.v. § 84 Abs. 1 SGB IX.

Dies gilt auch dann, wenn es um die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen geht. Gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX gilt auch der präventive Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen nicht für Kündigungen, die in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Das Integrationsamt ist in diesen Fällen vor Ausspruch der Kündigung nicht zu beteiligen. Der Arbeitgeber hat solche Kündigungen nach § 90 Abs. 3 SGB IX nur innerhalb von vier Tagen dem Integrationsamt anzuzeigen. Damit hat der Gesetzgeber die Grundrechtspositionen des schwerbehinderten Arbeitnehmers einerseits und des Arbeitgebers andererseits in einen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechenden Ausgleich gebracht.

Danach hat der Arbeitgeber auch bei schwerbehinderten Arbeitnehmern die Gelegenheit, die Einsatzmöglichkeiten weitgehend frei von Kündigungsbeschränkungen zu erproben. Folglich hat der Arbeitgeber auch kein Präventionsverfahren innerhalb der ersten sechs Monate durchzuführen.

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn www.redeker.de

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