21.07.2012

Kettenbefristung und Rechtsmissbrauch

Portrait von Martin Reufels
Martin Reufels

In vielen Branchen ist es üblich, mit denselben Arbeitnehmern immer wieder hintereinander mit sachlichem Grund befristete Arbeitsverträge zu schließen. Diese Kettenbefristungspraxis ist nicht im Grundsatz rechtswidrig. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 26. Januar 2012 - C 586/10 in dem Verfahren Kücük bestätigt. Allerdings hatte der EuGH darauf hingewiesen, dass die nationalen Gerichte „alle mit der Verlängerung der befristeten Verträge verbundenen Umstände“ berücksichtigen müssten, da sich hieraus ein Hinweis auf Missbrauch ergeben könnte.

Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr in einem Urteil vom 18. Juli 2012 (7 AZR 432/09) Gelegenheit, sich mit den Begründungsansätzen des EuGH-Urteils zu befassen. Das Bundesarbeitsgericht geht auf die Rechtsprechung des EuGH ein und betont, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegen eines sachlichen Grundes rechtsmissbräuchlich sein kann, und zwar wegen rechtsmissbräuchlicher Ausnutzung einer an sich prinzipiell eröffneten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit. Dies folge aus den sich aus Treu und Glauben ergebenden Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs. Zwar seien an einen solchen Rechtsmissbrauch hohe Anforderungen zu stellen. Interessant ist aber, dass dieser Gesichtspunkt vom Bundesarbeitsgericht überhaupt herausgearbeitet wird; er war in der bisherigen Befristungsrechtsprechung in dieser klaren Form nicht zum Ausdruck gelangt.

Klägerin war eine Arbeitnehmerin, die beim Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage von 13 befristeten Arbeitsverträgen im Amtsgericht Köln tätig war. Als Befristungsgrund zog das Land immer die Vertretung anderer Justizangestellten in Elternzeit oder in Sonderurlaub heran. Das Bundesarbeitsgericht verwies den Fall an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Aufklärung zurück, merkte aber an, dass die Gesamtdauer von mehr als 11 Jahren und die Anzahl von 13 Befristungen dafür spreche, dass das Land die an sich eröffnete Möglichkeit der Vertretungsbefristung rechtsmissbräuchlich ausgenutzt habe.

Arbeitgeber werden in der Zukunft also bei längeren „Kettenbefristungen“ vorsichtiger sein müssen.

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