12.01.2016

Musik bei der Mitbestimmung

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

Arbeitsrechtliche Fragen rund um kunst- und kulturschaffende Berufe sind manchmal von besonderer Intensität. Dies zeigt auch der vom BAG durch Beschluss vom 30.06.2015 (1 ABR 71/13) entschiedene Fall. Der Betriebsrat eines Sinfonieorchesters konnte sich beim BAG erfolgreich mit einem Unterlassungsanspruch durchsetzen, der es dem Arbeitgeber untersagte, die Teilnahme der Orchestermusiker an mediationsabschließenden Gesprächen „über die Sitzordnung im Orchester“ im Wege des Direktionsrechts ohne Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung nach § 87 Abs. 2 BetrVG anzuordnen.

Noch das LAG Nürnberg war der Auffassung gewesen, es habe sich nicht um Arbeitszeit gehandelt, weil die Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbracht hätten, obgleich das Gespräch auch im Interesse des Arbeitgebers erfolgt sei. Dies sieht das BAG – zu Recht – anders.

Die Orchestermusiker (= Arbeitnehmer) waren vom Arbeitgeber in einem Schreiben zur Teilnahme am Gespräch unter Hinweis auf die Verpflichtung im Rahmen der arbeitsvertraglichen Regelungen angewiesen worden. Auch wenn nach § 12 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Musiker in Kulturorchestern (TVK) unter „Dienst der Musiker“ vor allem die Mitwirkung bei Aufführungen und Proben zu verstehen ist, hat hier der Arbeitgeber die Dienstzeit (=Arbeitszeit) durch seine Weisung auf „musikfremde“ Tätigkeiten ausgedehnt. Das gilt trotz des Umstandes, dass eine Mehrzahl der Musiker mit der Durchführung des Gespräches einverstanden war, da dadurch der zwingende Charakter der Weisung in Bezug auf die anderen (gesprächsunwilligen) Musiker nicht aufgehoben war. Die Tätigkeit diene schließlich dem Bedürfnis des Arbeitgebers und nicht demjenigen des Arbeitnehmers (so schon zur Umkleidezeit der Senat im Beschluss vom 12.11.2013 – 1 ABR 59/12, ArbRB 2014, 106 [Reufels]).

Auch der letzte Hilfsanker des Arbeitgebers, den Ausschluss des Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG durch die Tendenzregelung des § 118 Abs. 1 BetrVG, hat das BAG zu Recht ausgeschlossen: Die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG betrifft regelmäßig Angelegenheiten, die vornehmlich dem wert- und tendenzneutralen betrieblichen Arbeitsablauf zuzuordnen sind. Es handelt sich nicht um tendenzrelevante Fragestellungen, die ausnahmsweise die Mitbestimmung einschränken können, sondern um Maßnahmen im Hinblick auf die Organisation des Arbeitsablaufs, die nichts mit der Tendenz zu tun haben (insbesondere zur Arbeitszeit HWK-Hohenstatt/Dzida, 6. Aufl. 2014, § 118 BetrVG, Rz. 23 m.w.N.).

Jetzt stellt sich mir noch die Frage, ob es sich bei der Sitzordnung des Orchesters als solcher um eine Frage des Ordnungs- oder Arbeitsverhaltens nach § 87 Abs. Abs. 1 Nr. 1 BetrVG handelt. Man wird möglicherweise differenzieren können: Die Entscheidung, ob amerikanisch (ggf. in der Furtwängler-Version abgewandelt) oder deutsch-europäisch aufgestellt wird, trifft der Dirigent; wer innerhalb der (Streicher-)Gruppen an welchem Platz (=Pult) sitzt, unterliegt - abgesehen von den Stimmführern (tendenzbezogene - vulgo unternehmerische - Entscheidung)  - der Mitbestimmung. Gehe ich jetzt zu weit?

 

 

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