Negative Feststellungsklage gegen AGG-Hopper und wenn ja wo?
Wie schon früher berichtet, mehren sich die Fälle, in denen Rechtsanwälte mit mehr oder weniger arbeitsrechtlichem Hintergrundwissen in eigener Sache Kanzleien auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG wegen vermeintlicher Altersdiskriminierung verklagen. So hatte der Münchener Rechtsanwalt Nils Kratzer die Kanzleien Osborne Clarke und Flick Glocke sowie nach Angaben von juve auch Beiten Burkhardt und CMS Hasche Sigle auf Entschädigung und Schadensersatz verklagt, weil diese in der Regel „Berufsanfänger“ oder „young professionals“ gesucht hatten und den Kollegen Herrn Kratzer als Bewerber mit Ende 30 und jahrelanger Berufserfahrung abgelehnt hatten.
Da sich auch Kanzleien (ob "Groß" oder nicht "Groß") nicht gerne in der Lage als verklagter Arbeitgeber sehen, stellt sich die Frage, wie Arbeitgeber vorbeugend gegen abgelehnte Bewerber vorgehen können, die ihr Begehren nach Schadensersatz und Entschädigung geltend gemacht haben und bei nicht fristgerechter Zahlung eine Klage androhen.
Bewerber müssen ihre Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG gemäß § 15 Abs. 4 AGG innerhalb von zwei Monaten schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Gemäß § 61b Abs. 1 ArbGG müssen dieselben Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung eingeklagt werden. Nach dem Ablauf dieser Fristen ist die Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG ausgeschlossen.
Erhält der Arbeitgeber ein solches Anspruchsschreiben, ist an die Erhebung einer negativen Feststellungsklage zu denken. Der Antrag wäre darauf gerichtet, festzustellen, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, dem Bewerber Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 AGG wegen der am […Datum…] erfolgten Ablehnung der Bewerbung vom […Datum…] zu zahlen. Verlangt der Bewerber Auskunft über andere Bewerbungen, was trotz der im Regelfall entgegenstehenden Rechtsprechung des BAG manchmal der Fall, kann der Antrag entsprechend ergänzt werden.
Die negative Feststellungsklage setzt zunächst ein Rechtsverhältnis voraus. Das ist eine normativ geregelte Beziehung zwischen zwei Rechtssubjekten. Bei einem Streit über das Bestehen eines Schadensersatzanspruches aufgrund einer vermeintlichen Diskriminierung im Rahmen einer Bewerbung begründet letzteres zwischen den Parteien ein vorvertragliches Schuldverhältnis, das als tatsächlich abgrenzbares Rechtsverhältnis ausreicht.
Darüber hinaus ist ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich, das immer nur dann vorliegt, wenn die begehrte Feststellung die Streitfragen zwischen den Parteien abschließend klärt und sich daraus für die Gegenwart oder Zukunft noch Rechtsfolgen ergeben. Berühmt sich ein Bewerber eines Entschädigungs- und Schadensersatzanspruches und ist die Frist für die gerichtliche Geltendmachung dieses Anspruches noch nicht abgelaufen, müssen sich Arbeitgeber nicht darauf verweisen lassen, sich auf Schadensersatz und Entschädigung verklagen zu lassen, um die Rechtmäßigkeit etwaiger Anspruchsbegehren klären zu lassen. Das deshalb vorhandene rechtliche Interesse an der negativen Feststellungsklage erlischt in aller Regel jedoch, sobald der Gegner wegen desselben Gegenstandes Leistungsklage erhebt und diese nicht mehr einseitig zurücknehmen kann (BGH vom 28.06.1973, VII ZR 200/72). Das Feststellungsinteresse kann aber ausnahmsweise auch in diesem Fall bestehen bleiben, wenn der Rechtsstreit bereits entscheidungsreif ist.
Weiter stellt sich die Frage nach dem zuständigen Arbeitsgericht. Für Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind die Arbeitsgerichte zuständig, § 2 Abs. 1 Nr. 3c ArbGG.
Schwieriger zu klären ist die örtliche Zuständigkeit. Praktisch wichtig ist das, weil eine z.B. in Köln ansässige Kanzlei einen aus Regensburg stammenden Anspruchsteller regelmäßig nicht am allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) verklagen will, außer man will sich vor Ort mit dem Reichsdeputationshauptschluss beschäftigen. Regelungen für die örtliche Zuständigkeit einer Schadensersatzklage des Bewerbers finden sich in § 61b Abs. 2 ArbGG. Danach kann ein Arbeitgeber, der wegen vermeintlicher Diskriminierung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg von mehreren abgelehnten Bewerbern auf Entschädigung verklagt wird, per Antrag die ausschließliche Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts für sämtliche Klagen erwirken. Dies setzt jedoch voraus, dass dieses – zuerst angerufene – Gericht überhaupt örtlich zuständig ist. Exkurs: Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung (also auch die Güteverhandlung nach § 54 ArbGG, HWK/Ziemann, § 61b ArbGG, Rz. 12) nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach Erhebung der ersten Klage statt, um die örtliche Zusammenfassung der Klagen sicherzustellen (§ 61b Abs. 3 ZPO).
Für die negative Feststellungsklage käme zunächst gemäß § 29 ZPO der Gerichtsstand des Erfüllungsortes in Betracht. Das dazu erforderliche Vertragsverhältnis kann auch in einem vertragsähnlichen Schuldverhältnis aufgrund Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo), also aufgrund der Diskriminierung im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens beruhen. Der für § 29 ZPO maßgebliche Erfüllungsort ist in diesem Fall derjenige der Leistungshandlung gemäß § 269 BGB. Die im Rahmen des Schadensersatzes oder der Entschädigung zu bewirkende Zahlungspflicht ist eine qualifizierte Schickschuld, die gemäß §§ 269, 270 BGB am Sitz des Schuldners bewirkt werden müsste. Damit wäre das Arbeitsgericht des Bezirks zuständig, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
Würde man das Bestehen eines Streits aufgrund eines Vertragsverhältnisses mit der Begründung ablehnen, § 15 AGG begründe ausschließlich gesetzliche Schadensersatzansprüche, käme der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO in Betracht. Tatort ist jeder Ort, an dem eins der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht wurde, insbesondere da, wo eine adäquate Ursache verwirklicht wurde und der Erfolg eingetreten ist (Thomas/Putzo-Hüßtege, § 32 ZPO, Rz. 7). Der Ort der unerlaubten Handlung befindet sich also auch dort, wo die diskriminierende Aussage vorgenommen wurde, auch wenn sie sich am allgemeinen Gerichtsstand des Bewerbers ebenfalls auswirken dürfte. Unter mehreren Gerichtsständen hat der Kläger die Wahl, § 35 ZPO.
Somit steht der Erhebung von negativen Feststellungsklagen durch in Kanzleien, die zu Unrecht nach § 15 AGG in Anspruch genommen werden, nichts mehr entgegen und es bleibt abzuwarten, ob künftig gegen die sogenannten AGG-Hopper proaktiv vorgegangen werden wird.
Dr. Detlef Grimm/Dr. Friederike Linden