Neue Urlaubsrechtsprechung des EuGH – Teil III: So regeln Sie den Verfall des vertraglichen Mehrurlaubs
Die europarechtlichen Vorgaben (s. Blog-Beitrag v. 14.11.2018) gelten nur für den vierwöchigen Mindesturlaub. Der Verfall des weitergehenden vertraglichen Mehrurlaubs kann dagegen frei vereinbart werden. Wir empfehlen allen Unternehmen, den Umgang mit vertraglichem Mehrurlaub im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung zu regeln. Bei dieser Gelegenheit bieten sich noch weitergehende Regelungen an.
Für den gesetzlichen Mindesturlaub gelten strenge Schutzvorgaben, die weder vertraglich noch in einer Betriebsvereinbarung abbedungen werden können (§ 13 BUrlG). Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt sowohl nach deutschem Recht (§ 3 BUrlG) als auch nach Europarecht (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG) vier Wochen. Bei einer Vollzeitkraft, die regulär fünf Tage die Woche arbeitet, handelt es sich also um 20 Urlaubstage.
Sämtlicher weitergehender Urlaub ist vertraglicher Mehrurlaub, über den die Arbeitsvertragsparteien im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung frei disponieren können. Treffen Unternehmen allerdings keine Regelung, gilt für den vertraglichen Mehrurlaub dasselbe wie für den gesetzlichen Mindesturlaub. Er verfällt dann z.B. nur unter den besonderen Voraussetzungen, die der EuGH aufgestellt hat. Es empfiehlt sich deshalb für fast alle Arbeitgeber, den Umgang mit vertraglichem Mehrurlaub besonders zu regeln.
Dabei ist entscheidend, dass genommener Urlaub zuerst auf den gesetzlichen Mindesturlaub angerechnet wird. Typischerweise handelt es sich deshalb bei dem zum Jahresende übrig gebliebenen Resturlaub vor allem um vertraglichen Mehrurlaub. Der vertragliche Mehrurlaub ist es also, dessen Verfall und Abgeltung wirtschaftlich von größerer Bedeutung ist.
+++ Folgende Regelungen sind für die meisten Unternehmen sinnvoll: +++
- Durch eine besondere Verfallregelung für den vertraglichen Mehrurlaub kann sichergestellt werden, dass dieser Urlaub auch dann verfällt, wenn die vom EuGH gestellten Anforderungen nicht erfüllt werden. Deshalb kann angeordnet werden, dass vertraglicher Mehrurlaub weiterhin automatisch verfällt. Ein Verfall kann sogar bei Langzeiterkrankten vorgesehen werden.
- Eine Regelung, nach welcher der vertragliche Mehrurlaub für jeden Monat anteilig entsteht, verhindert, dass der Mitarbeiter zur zweiten Jahreshälfte den vollen Urlaubsanspruch erwirbt. Letzteres sähe die gesetzliche Rechtslage vor (§ 5 Abs. 1 BUrlG).
- Sinnvoll sind Regelungen, nach denen der vertragliche Mehrurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abgegolten werden muss. Unternehmen haben i.d.R. kein Interesse daran, Mitarbeitern, die das Unternehmen ohnehin verlassen, erhebliche Urlaubsabgeltungsbeträge zu zahlen.
Um die europarechtlichen Urlaubsgrundsätze bei vertraglichem Mehrurlaub abzubedingen, insbesondere die Belehrungs- und Aufforderungsobliegenheit des Arbeitgebers und eine Urlaubsübertragung bei dauererkrankten Mitarbeitern, kann z.B. die folgende Klausel sowohl im Arbeitsvertrag als auch in einer Betriebsvereinbarung verwendet werden:
"(1) Bei sämtlichen Urlaubsansprüchen, die über den gesetzlichen Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG hinausgehen, handelt es sich um vertraglichen Mehrurlaub. Genommener Urlaub wird zuerst auf den gesetzlichen Mindesturlaub angerechnet.
(2) Nicht genommener vertraglicher Mehrurlaub verfällt abweichend von § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ende des Kalenderjahres, es sei denn, der vertragliche Mehrurlaub konnte aus dringenden betrieblichen Gründen im laufenden Kalenderjahr nicht genommen werden. Im Fall der Übertragung muss der vertragliche Mehrurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Der Verfall von vertraglichem Mehrurlaub findet unabhängig davon statt, ob der Arbeitgeber dazu aufgefordert hatte, den vertraglichen Mehrurlaub zu nehmen, oder ob der Arbeitgeber über die Möglichkeit des Verfalls gesondert aufgeklärt hatte."
Eine Regelung im Arbeitsvertrag kommt oft nur bei neu eingestellten Mitarbeitern in Betracht, nämlich wenn keine Vertragsergänzung vereinbart werden kann. Um eine Regelung für alle Belegschaftsangehörigen, ausgenommen der leitenden Angestellten, zu erreichen, bietet sich eine Betriebsvereinbarung an. Hierzu wird man das Einverständnis des Betriebsrates i.d.R. durch Entgegenkommen erkaufen müssen, z.B. beim Verfallstichtag.
RA FAArbR Dr. Detlef Grimm und RA Dr. Jonas Kühne, Loschelder Rechtsanwälte, Köln
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