04.08.2023

Neues zum richtigen Umgang des Arbeitgebers mit einem möglichen Annahmeverzug

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Wolfgang Kleinebrink

Kündigt der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis, stellt das für ihn ein erhebliches finanzielles Risiko dar. Obsiegt der Arbeitnehmer nämlich im Kündigungsschutzprozess und ist seine Kündigungsfrist bereits abgelaufen, kann er regelmäßig nach § 615 Satz 1 BGB die Vergütung trotz fehlender Arbeitsleistung verlangen. Der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs keines Angebots des Arbeitnehmers. Für Arbeitgeber ist vor diesem Hintergrund von Interesse, wie sie dieses finanzielle Risiko zumindest verringern können. Neue Entscheidungen des BAG und des LAG Berlin-Brandenburg sind insoweit zu berücksichtigen.

Berufung auf böswilliges Unterlassen des Arbeitnehmers

Eine wichtige Möglichkeit besteht nach § 11 Nr. 2 KSchG darin, dass der Arbeitgeber sich darauf beruft, der Arbeitnehmer müsse sich auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, dasjenige anrechnen lassen, was der Arbeitnehmer hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.

Ein Arbeitnehmer unterlässt böswillig anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben i.S.d. § 242 BGB unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Maßgebend sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls (BAG v. 12.10.2022 – 5 AZR 30/22, ArbRB 2023, 70 [Kühnel]). Die Unzumutbarkeit einer anderweitigen Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann etwa ihren Grund

  • in der Person des Arbeitgebers,
  • der Art der Arbeit oder
  • den sonstigen Arbeitsbedingungen haben.

Erforderlich für die Beurteilung der Böswilligkeit ist stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen (BAG v. 12.10.2022 – 5 AZR 30/22, ArbRB 2023, 70 [Kühnel]). Dies schließt es aus, einen bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Umstand losgelöst von den sonstigen Umständen des Einzelfalls gleichsam absolut zu setzen (BAG v. 12.10.2022 – 5 AZR 30/22, ArbRB 2023, 70 [Kühnel]).

Im Rahmen dieser Gesamtabwägung spielt es eine Rolle, ob der Arbeitnehmer seine sozialrechtliche Meldepflicht aus § 38 Abs. 1 SGB III verletzt hat. Einem Arbeitnehmer kann arbeitsrechtlich das zugemutet werden, was ihm das Gesetz ohnehin abverlangt (BAG v. 12.10.2022 – 5 AZR 30/22, ArbRB 2023, 70 [Kühnel]). Nach dieser Vorschrift müssen sich Personen, deren Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis endet, spätestens drei Monate vor dessen Beendigung bei der Agentur für Arbeit unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, haben sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu melden. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird.

Hat der Arbeitnehmer sich arbeitslos gemeldet, darf er nicht in jedem Fall abwarten, bis die Agentur für Arbeit ihm ein aus seiner Sicht zumutbares Angebot übermittelt. Geht es nicht um eine Arbeitsmöglichkeit bei dem bisherigen Arbeitgeber, darf er nicht untätig bleiben, wenn sich ihm eine realistische Arbeitsmöglichkeit bietet. Das kann die Abgabe von eigenen Angeboten miteinschließen (LAG Berlin-Brandenburg v. 30.9.2022 – 6 Sa 280/22; s. auch Blog Beitrag v. 13.2.2023). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, welche Verteilung der Darlegung – und Beweislast erfolgt.

Ob die Stellenangebote Dritter "zumutbare" Arbeit zum Gegenstand hatten und in dem Verhalten des Arbeitnehmers ein "böswilliges" Unterlassen gesehen werden kann, hat der Arbeitgeber zwar nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg im Rechtsstreit über die Zahlung der Annahmeverzugsvergütung darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer, der Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert, aber einen Auskunftsanspruch auf Grundlage einer Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis nach § 242 BGB im Hinblick auf Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung. Nur wenn der Arbeitgeber von diesen Arbeitsbedingungen der Vermittlungsvorschläge Kenntnis hat, ist er nämlich in der Lage, Indizien für die Zumutbarkeit der Arbeit und eine mögliche Böswilligkeit des Unterlassens anderweitigen Erwerbs vorzutragen. Sodann obliegt es im Wege abgestufter Darlegungs- und Beweislast dem Arbeitnehmer, diesen Indizien entgegenzutreten und darzulegen, weshalb es nicht zu einem Vertragsschluss gekommen ist beziehungsweise ein solcher unzumutbar war (LAG Berlin- Brandenburg v.30.9.2022 – 6 Sa 280/22). Arbeitgebern ist deshalb zu empfehlen, diesen Auskunftsanspruch geltend zu machen.

Prozessbeschäftigung und widersprüchliches Verhalten

Eine in der Praxis noch nicht immer bekannte Möglichkeit, die finanziellen Folgen eines Annahmeverzugs infolge eines Unterliegens im Kündigungsschutzprozess zu vermeiden, besteht darin, dem Arbeitnehmer anzubieten, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu beschäftigen. Nimmt der Arbeitnehmer dieses Angebot an, entsteht ein auflösend bedingtes Beschäftigungsverhältnis, für das ein Sachgrund i.S.d. §§ 15, 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG besteht (BAG v. 16.1.2013 – 7 AZR 662/11, ArbRB 2013, 138 [Schewiola]). Diese Abrede bedarf nach §§ 15, 14 Abs. 4 TzBfG der Schriftform (BAG v. 22.10.2003 – 7 AZR 113/03, ArbRB 2004, 132 [Kappelhoff]).

Lehnt der Arbeitnehmer ein solches Angebot eines Prozessarbeitsverhältnisses ab, kann hierin ein böswilliges Unterlassen i.S.d. § 11 Nr. 2 KSchG zu sehen sein, das den Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges ausschließt, wenn nach der Entscheidung des Gerichtes das Arbeitsverhältnis fortbesteht und die Kündigungsfrist bereits abgelaufen ist. Allerdings kann ein Arbeitgeber einen Annahmeverzug nach dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung nicht dadurch vermeiden, dass er dem Arbeitnehmer der äußeren Form nach eine Prozessbeschäftigung anbietet, wenn sein tatsächlicher Wille nicht auf eine solche Beschäftigung gerichtet ist. Kündigt er dem Arbeitnehmer verhaltensbedingt fristlos und begründet dies mit einer Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung, verhält er sich widersprüchlich, wenn er dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung zu gleichen Bedingungen anbietet, weshalb es zu vermuten steht, dass dieses Angebot nicht ernsthafter Natur war (BAG v. 29.3.2023 – 5 AZR 255/22, ArbRB 2023, 97).

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