Nicht nur für de Light und Mané – Ablösesummen für alle Arbeitnehmer?
Im Vorfeld der am kommenden Freitag beginnenden neuen Bundesliga Saison wurden hohe „Ablösesummen“ für neue Spieler gezahlt. Allein Bayern München gab für vier Spieler 137,5 Mio. Euro aus (FC Bayern München - Alle Transfers | Transfermarkt). Für Arbeitgeber, die aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels befürchten, dass Arbeitnehmer zu anderen Arbeitgebern wechseln wollen, kann sich vor diesem Hintergrund die Frage stellen, ob auch sie eine "Ablöse" bei einem solchen Arbeitgeberwechsel vom neuen Arbeitgeber verlangen können. Diesen Gedanken hatte bereits im Juni 2019 der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks geäußert, da er befürchtete, dass so mancher Auszubildender gleich nach Abschluss der Ausbildung von der Konkurrenz abgeworben wird.
Die Frage nach einer Ablöse auch für "normale" Arbeitnehmer kann man nur beantworten, wenn man sich zunächst deren Bedeutung vergegenwärtigt. Nicht unberücksichtigt lassen darf man neben den Chancen einer solchen Vereinbarung aber auch die Risiken, die sich aus einer entsprechenden Vereinbarung ergeben.
Der korrekte Begriff für die "Ablösesumme" ist Transferentschädigung. Deren Bedeutung ergibt sich aus der besonderen Vertragsgestaltung im Profisport. Vereine schließen Verträge mit ihren Spielern befristet ab. Ein solches befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nach § 15 Abs. 3 TzBfG nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich – oder im anwendbaren Tarifvertrag – vereinbart ist. Diese Kündigungsmöglichkeit wird bei Verträgen im Profifußball nicht aufgenommen, um insbesondere zu verhindern, dass der Sportler vor Vertragsende zu einem anderen Verein wechselt. Dieses Ziel wird auch deshalb häufig angestrebt, weil sich durch die feste Vertragslaufzeit eine Transferentschädigung, die der Verein seinerseits an den früheren Arbeitgeber des Sportlers gezahlt hat, rechnen soll. Verein und Spieler sind somit für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses – sieht man von der beiderseitigen Möglichkeit einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund i.S.d. § 626 BGB einmal ab – aneinander gebunden. Insbesondere dem Spieler steht dann die Möglichkeit einer fristgerechten Kündigung während der Laufzeit des befristeten Vertrages nicht zur Verfügung, wenn er ein besser dotiertes Angebot eines anderen Vereins erhält oder aus sonstigen Gründen wechseln möchte.
Von besonderer Bedeutung ist insoweit, dass mit Profifußballern nicht nur ein Vertrag mit einer auf die Höchstdauer von zwei Jahren begrenzten Befristung ohne Sachgrund i.S.d. § 14 Abs. 2 TzBfG geschlossen werden kann. Möglich ist mit dieser Personengruppe auch die Befristung mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG. Der Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung kann die Befristung eines Arbeitsvertrags zwar nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergibt, statt eines unbefristeten nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen. Derartige Besonderheiten sind bei den Arbeitsvertragsbeziehungen zwischen einem Fußballverein der 1. Bundesliga und einem Lizenzspieler aber gegeben (BAG, Urt. v. 17.1.2018 – 7 AZR 312/16, ArbRB 2018, 195 [Jacobi]).
Die Vereinbarung einer Transferentschädigung ("Ablösesumme") im Vertrag des Profifußballers enthält somit gleichsam ein Angebot an eine unbestimmte Zahl von Vereinen, gegen Zahlung eines bereits im Vertrag festgesetzten Betrages, der Transferentschädigung, das Vertragsverhältnis mit dem wechselwilligen Spieler vor Ablauf der Befristung, d.h. vor Vertragsende, zu beenden, damit dieser mit einem anderen Verein vorzeitig ein neues Vertragsverhältnis eingehen kann. Umgekehrt fällt diese Transferentschädigung nicht an, wenn der Spieler bis zum Ablauf der vereinbarten Zeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber bleibt und anschließend mit einem anderen Verein einen Vertrag eingeht.
Überträgt man diese Vertragsgestaltung auf normale Arbeitsverhältnisse, setzt dies voraus, dass der Vertrag für längere Zeit nicht fristgerecht gekündigt werden kann. Da die genannte Befristungsmöglichkeit „Eigenart des Arbeitsverhältnisses“ nicht möglich ist, bleibt nur die Möglichkeit, die gesetzliche Höchstdauer einer Befristung ohne Sachgrund von zwei Jahren zu vereinbaren und dann keine Kündigungsmöglichkeit für beide Seiten vorzusehen. Denkbar wäre auch, in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis eine sehr lange Kündigungsfrist zu vereinbaren. Eine Grenze zieht insoweit lediglich § 624 BGB, der eine Bindung für mehr als fünf Jahre an den Arbeitgeber ausschließt.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten sich einigen, zu welchem Zeitpunkt frühestens der Arbeitnehmer trotz der langen Bindungsdauer vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden kann, wenn er einen neuen Arbeitgeber gefunden hat. Ferner müsste man sich dann darauf verständigen, welchen Betrag der neue Arbeitgeber bei einer entsprechenden Einigung mit dem Arbeitnehmer an den bisherigen Arbeitgeber als Transferentschädigung zahlen muss, damit es dort zu einer entsprechenden vorzeitigen einvernehmlichen Vertragsbeendigung kommt. Der umgangssprachlich genutzte Begriff der "Ablöse" spiegelt damit die Realität wider. Durch die Zahlung des vereinbarten Betrags endet das bisher bestehende Arbeitsfeld und wird durch ein neues Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers bei einem anderen Arbeitgeber abgelöst.
So charmant damit eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag aussehen mag – man muss auch die Folgen bedenken.
Mit derartigen Vertragsgestaltungen geht ein Arbeitgeber ein hohes Risiko ein. Nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch er selbst ist dann an einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gehindert. Insbesondere wenn der Arbeitnehmer doch nicht die vom Arbeitgeber bei Vertragsschluss angenommene Eignung hat, ist eine einseitige vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses für ihn nicht möglich, da die nicht zu Lasten eines Arbeitnehmers abdingbaren Voraussetzungen, die § 626 BGB für eine fristlose Kündigung aufstellt, nur äußerst selten gegeben sein dürften. Arbeitgeber müssen deshalb sehr sorgfältig abwägen, ob die Vereinbarung einer Transferentschädigung dieses Risiko rechtfertigt. Auch so mancher hochbezahlte Fußballspieler spielte später in der zweiten Profimannschaft, weil man ihn für Bundesligaspiele nicht mehr einsetzen wollte. Die vereinbarte Vergütung musste der Verein aber dennoch weiter zahlen.
Nachdenken sollte man über eine derartige Vertragsgestaltung aber einmal – und sei es in der Pause eines Bundesligaspiels.
Ausf. zu den arbeitsrechtlichen Möglichkeiten einer Bindung von Auszubildenden und Ausgebildeten an das Unternehmen Kleinebrink, Der Betrieb (DB), 2020, 170 ff. (Beratermodul DER BETRIEB).