08.04.2018

Nichtige Vereinbarung über Mehrarbeitsvergütung für Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 3 BetrVG

Portrait von Axel Groeger
Axel Groeger

Eine Vereinbarung über eine pauschale Vergütung für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit nach § 37 Abs. 3 S. 3 BetrVG kann nach § 78 S. 2 BetrVG i.V.m. § 134 BGB nichtig sein. Dennoch gezahlte überhöhte Pauschalvergütungen kann der Arbeitgeber nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zurückfordern. Der Anspruch ist nicht durch § 814 BGB ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB, wonach die Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn auch dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt, ist einschränkend auszulegen. Der Schutzzweck des Begünstigungsverbots verlangt eine einschränkende Auslegung dahin, dass die Rückforderung nicht ausgeschlossen ist. Denn § 78 S. 2 BetrVG soll nicht nur die Gewährung von Begünstigungen verhindern, sondern auch deren Entgegennahme durch das Betriebsratsmitglied und die betreffende Vermögensverschiebung unterbinden. Die Bestimmung schützt damit nicht allein die Betriebsratsmitglieder als Personen, sondern auch den Betriebsrat als Organ und dessen Funktionsfähigkeit sowie das Interesse der vertretenen Arbeitnehmer an einer durch Begünstigungen nicht beeinflussten Amtsausübung durch die sie vertretenden Betriebsratsmitglieder. Es wäre deshalb mit dem Zweck der Nichtigkeitsnorm unvereinbar, wenn eine Rückforderung nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen wäre und deshalb die Vermögensverschiebung erhalten bliebe. Die Begünstigung, die nach § 78 S. 2 BetrVG verhindert werden soll, würde durch den Kondiktionsausschluss perpetuiert.

Das hat das BAG im Fall eines Zeitungsausträgers entschieden, der nicht freigestelltes Mitglied – zuletzt Vorsitzender – des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrats war. Der Arbeitsvertrag sah bei einer Sechs-Tage-Woche eine wöchentliche Arbeitszeit von sechs Stunden, eine Tätigkeit in einem Zustellbezirk und die Zahlung eines Stücklohns vor. Die Arbeitsleistung als Zusteller war in den frühen Morgenstunden bis 06:00 Uhr zu erbringen. Überstundenzuschläge waren nicht vereinbart. Sämtliche Betriebsratstätigkeiten fielen außerhalb dieser Arbeitszeit an. In mehreren Monaten des Jahres 2015 erbrachte die Beklagte zur Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs des Klägers Aufstockungszahlungen. Wegen der außerhalb der Arbeitszeit erbrachten Betriebsratsarbeit, die nicht in Freizeit ausgeglichen wurde, zahlte die Beklagte an den Kläger 18,07 Euro brutto je Stunde. Bei der Berechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung bezog sie diese Zahlungen nicht ein. Der Kläger hatte deshalb Klage erhoben. Während des erstinstanzlichen Rechtsstreits hatte die Arbeitgeberin für den Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 11. Juli 2015 eine Nachberechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung unter Berücksichtigung der in den letzten drei Monaten vor Urlaubsantritt bzw. Beginn der Erkrankung an den Kläger für Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit geleisteten Vergütung vorgenommen. Den errechneten Differenzbetrag von 5.607,25 Euro brutto beim Urlaubsentgelt und 344,73 Euro brutto bei der Entgeltfortzahlung, insgesamt 5.951,98 Euro brutto, den sie am 6. November 2015 an den Kläger gezahlt hatte, woraufhin dieser die Klage im Umfang der erfolgten Nachzahlung zurückgenommen hatte, verlangte die Arbeitgeberin mit ihrer Widerklage zurück (BAG, Urt. v. 8.11.2017 - 5 AZR 11/17, ArbRB online).

Das Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG lässt die Vereinbarung einer pauschalen Stundenvergütung zur Abgeltung von Betriebsratstätigkeiten nicht zu, wenn sie ohne sachlichen Grund wegen der Betriebsratstätigkeit gewährt wird und zu einer Verdiensterhöhung führt. Betriebsratsmitglieder erhielten andernfalls einen Sondervorteil gegenüber anderen Arbeitnehmern, die keine Verdiensterhöhung erlangen können. Die Arbeitgeberin hatte im Einvernehmen mit dem Kläger seit Mai 2012 für Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit durchgehend pauschal einen „BR StdL Basisbezug“ von 18,07 Euro brutto je Stunde in Ansatz gebracht, obwohl die Höhe der Vergütung des Klägers für die in den Jahren 2012 bis 2015 erbrachte Arbeitsleistung Schwankungen unterlag und die Beklagte in mehreren Monaten des Jahres 2015 zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs des Klägers Aufstockungszahlungen leistete. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärten die Parteien auf Nachfrage des Senats übereinstimmend, eine im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes vorgenommene Neubewertung der Zustelltätigkeit des Klägers habe ergeben, dass die auf vertraglicher Grundlage je geleisteter Arbeitsstunde zu zahlende Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht erreichte. Dies legt nahe, dass der durchschnittliche Verdienst des Klägers, den er als Zeitungszusteller erzielt hat, deutlich unter den 18,07 Euro lag, die ihm die Beklagte für Betriebsratsarbeit leistete.

Mit der einschränkenden Auslegung des § 817 S. 2 BGB folgt das BAG der wohl überwiegenden Ansicht im Schrifttum (Siehe Jacobs/Frieling, ZfA 2015, 241, 259; HWK/Sittard, 7. Aufl. 2016, § 78 BetrVG Rn. 14 m.w.N.).

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn www.redeker.de

Zurück