16.05.2022

Personalarbeit 4.0: Warum der Arbeitnehmertraum vom Sabbatical oft nicht in Erfüllung geht

Portrait von Jonas Singraven
Jonas Singraven

Umfragen zufolge steht das Sabbatical ganz oben auf der Liste der deutschen Arbeitnehmerwünsche. Den Arbeitsalltag für sechs Monate zu unterbrechen und eine Weltreise zu unternehmen, wäre für viele Deutsche ein Lebenstraum. Ein Lebenstraum leider, der für die meisten Arbeitnehmer nicht in Erfüllung geht. Denn nur wenige Unternehmen bieten Sabbatical-Programme an.

Warum ist das so? Dafür gibt es gleich mehrere Gründe:

  1. Für Arbeitgeber schafft ein Sabbatical praktische Herausforderungen: Ein Mitarbeiter scheidet für einen längeren Zeitraum aus und kehrt dann wieder zurück. Für die Zwischenzeit muss eine befristete Ersatzkraft oder eine andere Zwischenlösung gefunden werden. Erfahrungswerte zeigen, dass viele Mitarbeiter überhaupt nicht mehr zu ihren Arbeitgebern aus den Sabbaticals zurückkehren: Sie nutzen die Auszeit, um ihr Leben zu überdenken und Lebensentscheidungen zu treffen – zu denen nicht selten die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses gehört.
  2. Allerdings können Sabbaticals auch als Instrument zur Mitarbeiterbindung genutzt werden: Nämlich, wenn Arbeitgeber ihren Mitarbeitern anbieten, während des Arbeitsverhältnisses Wertguthaben (vgl. §§ 7b ff. SGB IV) anzusparen, aus denen die Mitarbeiter sich irgendwann einmal in Zukunft – z.B. nach drei bis vier Jahren – das Sabbatical finanzieren. Dann bleibt der Mitarbeiter in dieser Ansparphase meistens bei seinem Arbeitgeber. Wertguthaben werden steuerlich gefördert: Einzahlung in Wertguthaben sind steuerfrei. Stattdessen werden die Auszahlungen während des Sabbaticals versteuert, allerdings i.d.R. bei deutlich niedrigerer Steuerprogression.
  3. Klingt also nach einer Win-Win-Lösung, oder? Leider nicht zwingend. Wertguthaben haben eine Reihe von Nachteilen, die mit ihrer gesetzlichen Regulierung zusammenhängen: Bei der Führung von Wertguthaben sind eine Vielzahl steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Vorgaben zu beachten. Dies macht die Einrichtung der Wertguthaben ungewöhnlich kompliziert und ihre Verwaltung unflexibel. Zudem muss das Unternehmen die Wertguthaben über externe Dienstleister gegen Insolvenz absichern, was weiteren Abstimmungs- und Kostenaufwand verursacht (§ 7e SGB IV).
  4. Hinzu kommt, dass die Geldanlage in arbeitgeberseitig geführte Wertguthaben aus Sicht der Mitarbeiter nicht immer wirtschaftlich ist. Richtig ist zwar, dass die Finanzierung des Sabbaticals über Wertguthaben steuerlich begünstigt ist. Allerdings ergeben sich regelmäßig Nachteile bei den Sozialversicherungsbeträgen, die sowohl für Mitarbeiter als auch das Unternehmen Zusatzkosten verursachen: Üblicherweise können sich nur Gutverdiener Sabbaticals leisten, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen in der Kranken- und ggf. auch Renten- und Arbeitslosenversicherung verdienen. Zahlt man Gehaltsbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen in Wertguthaben ein und während eines Sabbaticals unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze wieder aus, werden sie sozialbeitragspflichtig. Diese Mehrkosten bei den Sozialversicherungsbeiträgen "fressen" die Steuerersparnis oft auf.
  5. Arbeitgeber können die Geldeinlagen in den Wertguthaben zudem nur schwer gewinnbringend anlegen. Festverzinsliche Wertpapiere generieren derzeit kaum Renditen. Während der langandauernden Niedrigzinsphase haben sich Aktienfonds zur wohl beliebtesten Anlageform entwickelt. Allerdings dürfen nur maximal 20 Prozent der Einlagen in den Wertguthaben in Aktien oder Aktienfonds investiert werden (§ 7d Abs. 3 SGB IV). Zudem muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter den Werterhalt des Guthabens garantieren und etwaige Kursverlust ggf. ausgleichen; dies dürfte bei einer eher kurzfristigen Geldanlage über 3 bis 5 Jahre die Investition in Aktienfonds aus Arbeitgebersicht zu riskant erscheinen lassen. Konsequenz ist, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern typischerweise keine Zinsen auf die Einlagen in den Wertguthaben zahlen. Inflationsbedingt verlieren die Wertguthaben während der Dauer ihrer Laufzeit dann einen spürbaren Teil ihres Realwerts.

Es wäre schade, wenn der Arbeitnehmertraum vom Sabbatical an solchen Problemen scheitert. Personalabteilungen, die ihren Mitarbeitern den Traum vom Sabbatical ermöglichen wollen, sollten sich nicht abschrecken lassen: Wo ein Wille ist, ist immer auch ein Weg. Wie Unternehmen Sabbaticals mit oder (unbürokratisch) ohne Wertguthaben vereinbaren können, erläutert das Praxishandbuch Grimm/Singraven, Digitalisierung und Arbeitsrecht. Online können entsprechende Handlungsleitfäden und Muster hier abgerufen werden (Quelle: Grimm/Singraven, Digitalisierung und Arbeitsrecht, auch abrufbar im Aktionsmodul Arbeitsrecht).

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