13.03.2021

Personalgestellung und Arbeitnehmerüberlassung

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Axel Groeger

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 TVöD/TV-L liegt eine Personalgestellung vor, wenn Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert werden und auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiterbestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen ist. Die Personalgestellung ist entsprechend Protokollerklärungen zu § 4 Abs. 3 TVöD/TV-L auf Dauer angelegt. Danach bleibt das Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber bestehen, die nach § 4 Abs. 3 TVöD dem Dritten zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte werden in dessen Betrieb eingegliedert und führen ihre Arbeit allein nach dessen Weisungen und in dessen Interesse aus.

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG in der seit dem 1.4.2017 geltenden Fassung ist das AÜG mit Ausnahme des § 1b Satz 1, des § 16 Abs. 1 Nr. 1f und Abs. 2 bis 5 sowie der §§ 17 und 18 nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Arbeitgebern, wenn Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu dem anderen Arbeitgeber verlagert werden und aufgrund eines Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter besteht und die Arbeitsleistung zukünftig bei dem anderen Arbeitgeber erbracht wird. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG regeln, "dass die Vorgaben des AÜG in weiten Teilen nicht anwendbar sind auf die in Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes vorgesehenen Personalgestellungen (beispielsweise § 4 Absatz 3 TVöD)", die Regelung beseitige "bestehende Rechtsunsicherheiten, ob und inwieweit das AÜG auf Personalgestellungen Anwendung findet" (BT-Drs. 18/9232 S. 22).

Eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG ist nach Ansicht des BAG ausgeschlossen. Denn die Pflicht zur Verwirklichung eines Richtlinienziels im Auslegungsweg findet ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten. Sie darf nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen. Der Gehalt einer nach Wortlaut, Systematik und Sinn eindeutigen Regelung kann nicht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung in sein Gegenteil verkehrt werden (BAG vom 14.10.2020 - 7 AZR 286/18). Aber: Es erscheint dem BAG nicht ausgeschlossen zu sein, dass Arbeitnehmer einzelne Ansprüche gegen einen Arbeitgeber der öffentlichen Hand unmittelbar auf die Richtlinie 2008/104/EG stützen können. Dies könnte zur Folge haben, dass die Bereichsausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG nF unanwendbar wäre.

Dies setzt jedoch die Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/104/EG auf eine Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD/TV-L voraus. Zwar arbeiten die auf Grundlage von § 4 Abs. 3 TVöD/TV-L personalgestellten Arbeitnehmer iSd. Richtlinie 2008/104/EG „in Auftrag“ des Dritten und unter dessen „Aufsicht und Leitung“. Ferner sieht die Richtlinie 2008/104/EG in Art. 1 Abs. 3 nur eine Bereichsausnahme für Beschäftigungsverhältnisse vor, die im Rahmen eines spezifischen öffentlichen oder von öffentlicher Stelle geförderten beruflichen Ausbildungs-, Eingliederungs- oder Umschulungsprogramms geschlossen wurden. Das spricht für eine Anwendbarkeit der Leiharbeitsrichtlinie auf die Personalgestellung. Allerdings gilt die Leiharbeitsrichtlinie nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind, „um vorübergehend“ unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten. Damit könnte die Anwendbarkeit der Leiharbeitsrichtlinie auf die Personalgestellung in Frage stehen, weil bei der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD das Erfordernis einer Aufgabenverlagerung sicherstellt, dass die Arbeitnehmer nicht zu dem Zweck eingestellt oder beschäftigt werden, um sie an einen Dritten zu überlassen. Da die Personalgestellung zudem grundsätzlich auf Dauer angelegt ist und eine Rückkehr auf den (durch die Aufgabenverlagerung weggefallenen) Stammarbeitsplatz zumeist nicht erfolgt, stellt sich auch die ungeklärte unionsrechtliche Frage, ob die Leiharbeitsrichtlinie Arbeitnehmerüberlassung, die nicht nur vorübergehend ist, verbietet oder ob mit diesen Regelungen lediglich der Anwendungsbereich der Richtlinie festgelegt wird. Ungeklärt ist auch, ob in den Fällen der Personalgestellung durch einen öffentlichen Arbeitgeber an einen Dritten, auf den zuvor Aufgaben des betroffenen Arbeitnehmers verlagert wurden, das Merkmal der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ iSd. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG erfüllt ist.

Zwar gibt Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie geregelten Gleichbehandlungsgrundsatz tarifdispositiv auszugestalten. Danach können diese den Sozialpartnern „die Möglichkeit einräumen, auf der geeigneten Ebene und nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen Tarifverträge aufrechtzuerhalten oder zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern, welche von den in Absatz 1 aufgeführten Regelungen abweichen können, enthalten können“. Entsprechend führt Erwägungsgrund 16 der Richtlinie aus, dass die Mitgliedstaaten es den Sozialpartnern gestatten können, „Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festzulegen, sofern das Gesamtschutzniveau für Leiharbeitnehmer gewahrt bleibt“. Erwägungsgrund 17 der Richtlinie erläutert zudem, dass die Mitgliedstaaten „unter bestimmten, genau festgelegten Umständen auf der Grundlage einer zwischen den Sozialpartnern auf nationaler Ebene geschlossenen Vereinbarung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in beschränktem Maße abweichen dürfen, sofern ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist“. Nach Erwägungsgrund 19 beeinträchtigt die Richtlinie „weder die Autonomie der Sozialpartner, noch sollte sie die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern beeinträchtigen, einschließlich des Rechts, Tarifverträge gemäß nationalem Recht und nationalen Gepflogenheiten bei gleichzeitiger Einhaltung des Gemeinschaftsrechts auszuhandeln und zu schließen“. Vor diesem Hintergrund hängt die Reichweite der regelungsbefugnis der Tarifvertragspartner gemäß § 8 Abs. 2 und Abs. 4 AÜG vom Verständnis des Begriffs des „Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ in Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG ab.

Diese Fragen werden im Urteil des BAG vom 14.10.2020 (7 AZR 286/18) ausführlich obiter dictum erörtert, eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV erfolgte jedoch (noch) nicht, da das BAG die sache zunächst zur Weiteren Aufklärung an das LAG zurückverwiesen hat.

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn www.redeker.de

 

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