Personalleiter und Unternehmensjurist als Syndikusrechtsanwalt
Der AGH NRW hat im Urteil vom 19.05.2017 – 1 AGH 72/16 entschieden, dass ein u.a. als Personalleiter bei einem metallverarbeitenden Unternehmen tätiger Volljurist, der mindestens zu 67 % seiner Arbeitszeit fachlich unabhängig und weisungsfrei arbeitsrechtlich tätig ist, als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden kann.
Der Kläger war Syndikusrechtsanwalt eines in der Metallverarbeitung tätigen Unternehmens mit ca. 900 Beschäftigten, das einen Haustarifvertrag mit der IG Metall hat. Die Rechtsanwaltskammer Köln hatte ihn als Syndikusrechtsanwalt zugelassen, wogegen sich die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) gewandt hatte.
Mit ihrer gegen den Zulassungsbescheid gerichteten Klage ist die DRV in zweiter Instanz beim Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen gescheitert. Die anwaltlichen Aufgaben umfassten nach der aktuellen Fassung des Arbeitsvertrages, zu dem die Tätigkeitsbeschreibung gehöre, neben der Personalleiterfunktion auch in tatsächlicher Sicht ca. 67 % der Arbeitszeit klar prägend (vgl. § 46 Abs. 3 BRAO) anwaltlich ausgestaltete Tätigkeiten.
Der Personalleiter übernehme die Rechtsberatung und Bearbeitung arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen, die sonst üblicherweise ein Arbeitgeberverband oder ein externer Rechtsanwalt leiste. Er prüfe und gestalte fachlich unabhängig und weisungsfrei Arbeitsverträge, Auslandseinsätze/Entsendungen, arbeitsrechtliche Sanktionen wie Abmahnungen und Kündigungen und verantworte die Auslegung und Anwendungen des Haustarifvertrages. Daneben betreue er den Betriebsrat und führe arbeitsrechtliche Beratungen und Schulungen hausintern durch.
Die Handlungsvollmacht zeige die Befugnis gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO, nach außen verantwortlich aufzutreten. Auch die Vergütung in Höhe von 120.000,00 €/Jahr lasse auf die selbstständige Stellung schließen.
Eine erfreuliche Entscheidung für Personalleiter mit juristischer Vollausbildung. Maßgeblich wird die Ausgestaltung der Tätigkeitsbeschreibung und des Anstellungsvertrages sein.
Dass mit Urteil des AGH NRW vom 28.04.2017 – 1 AGH 63/16 eine „Senior Claim Managerin“ in einer Rückversicherung als Syndikusrechtsanwältin zuzulassen ist, dürfte inzwischen bekannt sein. Auch kann ein „Examiner Speciality Claims“ im Bereich der Schadensregulierung einer Versicherung als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden (AGH NRW v. 06.06.2017 – 1 AGH 65/16).
Für den Personalbereich bedeutsam sind zwei weitere Entscheidungen des AGH NRW: Ein „Leiter Personal und Recht“ bei einer Unternehmensgruppe kann als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden, wenn der Anteil der rechtlichen Tätigkeit 70 % der Gesamtarbeitszeit beträgt, der Anteil der reinen Personaltätigkeit auf unter 30 % geschätzt wird. Dann prägt die anwaltliche Tätigkeit quantitativ und qualitativ das Anstellungsverhältnis, was entscheidend ist (§ 46 Abs. 3 BRAO), so AGH NRW v. 10.02.2017 – 1 AGH 20/16.
Auch ein Volljuist als Geschäftsführer und Personaldirektor bei einer Führungs-, Verwaltungs- und Beratungsgesellschaft eines Transport- und Logistikkonzerns kann als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden, wenn mindestens 50 % der regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit auf anwaltliche Tätigkeit entfallen (vergleiche Schuster, Anwaltsblatt 2016, 121, 122 und gerichtlich AGH NRW v. 13.02.2017 – 1 AGH 32/16).
Faustformel also: Handlungsvollmacht oder Prokura sowie mindestens 50 % prägende typisch anwaltliche Tätigkeit.