Probleme beim doppelgleisigen Rechtsschutz schwerbehinderter Menschen gegen Kündigungen
Das VG Düsseldorf hat im Urteil vom 20.11.2014 – Az. 13 K 546/14 – entschieden, dass für die Klage eines schwerbehinderten Menschen gegen die Zustimmungserklärung des Integrationsamtes gem. § 85 SGB IX kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht, sobald die Kündigungsschutzklage zurückgenommen worden ist.
Die schwerbehinderte Klägerin hatte sich sowohl beim Verwaltungsgericht gegen den Zustimmungsbescheid nach § 85 SGB IX mit einer Anfechtungsklage gewehrt als auch Kündigungsschutzklage gegen die ausgesprochene Kündigung vor dem Arbeitsgericht erhoben. Im Gütetermin hatte sie die Klage nach entsprechendem Hinweis des Arbeitsgerichts, das KSchG sei nicht anwendbar, zurückgenommen. Die Anfechtungsklage vor dem VG Düsseldorf hatte sie aber weiter betrieben.
Das VG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis mehr habe. Durch die Rücknahme der Kündigungsschutzklage werde der Rechtsstreit als „nicht anhängig geworden“ behandelt und die Kündigung damit nach § 7 KSchG rückwirkend wirksam. Diese Fiktion könne nicht mehr nachträglich aufgehoben werden. Mit dieser Bewertung steht das VG Düsseldorf nicht alleine (so schon BayVGH, Beschluss vom 28.11.2008 – 12 BV 06.3422, juris).
Die Klägerin hätte darauf hinwirken müssen, dass der Rechtsstreit beim Arbeitsgericht gem. § 148 ZPO bis zum Abschluss des Verfahrens beim Verwaltungsgericht ausgesetzt wird. Dies geschieht in aller Regel. Geschieht dies nicht, kann im Wege der sofortigen Beschwerde gem. § 252 ZPO das LAG angerufen werden.
Ist der Rechtsstreit nicht ausgesetzt worden, entscheidet das Arbeitsgericht und weist die Kündigungsschutzklage durch rechtskräftiges Urteil ab, besteht die Möglichkeit der Restitutionsklage nach § 580 Nr. 6 ZPO, wenn nach der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung nach § 85 SGB IX rückwirkend aufhebt. Das BAG hat mit Urteil vom 17.06.1998 – Az. 2 AZR 519/97 entschieden, dass die Restitutionsklage zulässig ist, wenn „ein Verwaltungsakt, der Wirksamkeitsvoraussetzung für eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung ist, durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil aufgehoben wird und hierdurch die Grundlage für die frühere arbeitsgerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit einer Willenserklärung entfällt"(Rz. 15 unter Bezugnahme auf BAG v. 25.11.1980 – 6 AZR 210/80, AP Nr. 7 zu § 12 SchwBG zu II.2 der Gründe). Das setzt aber – was das BAG a.a.O. mit Hinweis auf § 582 ZPO (Fehlen eines Schuldvorwurfes gegen den Restitutionskläger) anspricht - voraus, dass der Zustimmungsbescheid der Hauptfürsorgestelle angefochten wird und der Stand des Anfechtungsverfahrens bzw. der Anfechtungsklage dem Arbeitsgericht mitgeteilt wird. Das BAG bezieht in seine Wertung auch ein, dass nur dann das Arbeitsgericht die Aussetzung des Kündigungsschutzprozesses bedenken könne. Der Weg über die Restitutionsklage hat schließlich noch eine letzte Hürde: Restitutionsklagen sind nach Ablauf von fünf Jahren nach der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts unstatthaft (§ 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Das kann mit Blick auf die Verfahrensdauer vor den Verwaltungsgerichten schwierig werden.
Merke: Angesichts des auch von der Praxis von vielen kritisierten doppelgleisigen Rechtsschutzes für schwerbehinderte Menschen gegen Kündigungen ist in den geschilderten Fällen die Aussetzung des Arbeitsgerichtsverfahrens der momentan beste Weg.