07.12.2020

Quarantäne bedeutet nicht immer Arbeitsunfähigkeit: Eine fehlerhafte Beurteilung hat Folgen

Portrait von Wolfgang Kleinebrink
Wolfgang Kleinebrink

Unter Arbeitnehmern wird teilweise die Auffassung vertreten, sie seien arbeitsunfähig, wenn sie sich aufgrund einer Anordnung des Gesundheitsamtes oder aufgrund der Regelungen der Quarantäneverordnung NRW vom 30.11.2020 infolge eines dringenden Infektionsverdachtes in Quarantäne, d.h. Absonderung i.S.d. § 30 Abs. 1 IfSG, begeben müssen.

Arbeitsunfähigkeit besteht nach § 3 Abs. 1 EFZG nur dann, wenn ein Arbeitnehmer infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Dies ist bei einer Quarantäne, d.h. Absonderung, eines Ansteckungsverdächtigen aber gerade nicht der Fall. Bei Ansteckungsverdächtigen handelt es sich nach der gesetzlichen Definition des § 2 Nr. 7 IfSG um eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, Krankheitsverdächtiger oder Ausscheider zu sein. Das Gesetz selber trennt damit scharf zwischen Arbeitsunfähigkeit und Quarantäne nicht Infizierter.

Diese für den juristischen Laien auf den ersten Blick feinsinnige Unterscheidung ist rechtlich von großer Bedeutung. Ein Ansteckungsverdächtiger, der sich in häuslicher Quarantäne befindet, kann, sofern seine berufliche Tätigkeit es zulässt, im Home-Office arbeiten und damit die von ihm geschuldete Arbeitsleistung erbringen. Er erhält dann seine normale Vergütung. Ist eine solche Arbeit im Home-Office nicht möglich, ergeben sich die finanziellen Folgen für den Arbeitnehmer nicht aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz, sondern aus § 56 Abs. 1 IfSG. Derjenige, der als Ansteckungsverdächtiger einen Verdienstausfall erleidet, erhält nach dieser Vorschrift eine Entschädigung in Geld. Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie nach § 56 Abs. 2 Satz 1 IfSG in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Bezugsgröße ist allerdings nach § 56 Abs. 3 IfSG das Netto-Arbeitsentgelt. Der Arbeitgeber hat bei Arbeitnehmern nach § 56 Abs. 5 IfSG für die Dauer des Arbeitsausfalls, längstens aber für 6 Wochen die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber dann auf Antrag von der zuständigen Behörde, in NRW sind dies die Landschaftsverbände, in voller Höhe erstattet.

Es bestehen somit jedenfalls aus Sicht des Arbeitgebers erhebliche Unterschiede in der für ihn eintretenden finanziellen Belastung bei Arbeitsunfähigkeit und Quarantäne eines Ansteckungsverdächtigen. Bei einer Arbeitsunfähigkeit muss er nach § 3 Abs. 1 EFZG das Entgelt für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen weiterzahlen, sofern den Arbeitnehmer an der Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden trifft. Eine Erstattung kommt nur ausnahmsweise – und ggf. meistens nur teilweise – dann in Betracht, wenn ein Anspruch nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz besteht, weil der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigt. Aufgrund dieser unterschiedlichen finanziellen Belastungen bei einer Quarantäne als Ansteckungsverdächtiger und einer Arbeitsunfähigkeit besteht damit für Arbeitnehmer, aber auch für Ärzte die Gefahr, sich schadensersatzpflichtig zu machen und zumindest in die Nähe des Betrugsverdachts zu geraten, wenn sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anstreben bzw. ausstellen, obwohl ihnen bekannt ist, dass tatsächlich „nur“ ein Ansteckungsverdacht besteht und deshalb eine Quarantäne notwendig ist.

Professor Dr. Wolfgang Kleinebrink

Zurück