Rechtsanwalt in eigener Sache!
Der Zugang von Kündigungen des Arbeitsverhältnisses richtet sich nach § 130 Abs. 1 BGB. Mit der Frage, ob eine am Sonntag den 30.11.2014 in den Hausbriefkasten der Arbeitnehmerin eingeworfene Kündigung (innerhalb der Probezeit) noch an diesem Tag zugegangen ist oder erst am Montag darauf, hat sich das LAG Kiel im Urteil vom 13.10.2015 – 2 Sa 149/15 befasst. Es hat den Zugang am Sonntag (30.11.2014) verneint und war damit anderer Auffassung als der kündigende Arbeitgeber, eine Rechtsanwaltskanzlei.
Die Kündigung als verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, wenn sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt gelangt ist und der Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit hat, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen (BAG v. 22.03.2012 – 2 AZR 224/11; HWK-Quecke, 7. Aufl. 2016, § 4 KSchG, Rn. 27; Laber, Der Zugang und die Zugangsvereitelung von Kündigungen - Ein Standardproblem mit vielen Stolperfallen, ArbRB 2016, 25 ff.).
Beim Einwurf in den Briefkasten geht die Kündigung in dem Zeitpunkt zu, in dem nach den üblichen Postzustellungszeiten mit einer Leerung zu rechnen ist. Ein um 12.40 Uhr eingeworfenes Kündigungsschreiben geht noch am selben Tag zu (LAG Hamm v. 26.05.2004 – 14 Sa 182/04). Beim Einwurf am späten Abend oder in der Nacht durch einen Boten geht das Kündigungsschreiben erst am nächsten Tag zu (HWK-Quecke, a.a.O.).
Hier kam es darauf an, ob verkehrsüblich eine Briefkastenschau (also umgangssprachlich „Öffnung und Leerung“) am Sonntag zu erwarten war.
Die beklagte Rechtsanwaltskanzlei hatte sich darauf berufen, am Sonntag würden Wochenblätter verteilt werden. Daher hätte sie erwarten können, dass die gekündigte Arbeitnehmerin auch am Sonntag in ihren Briefkasten schaut. Das LAG stellt zu Recht heraus, dass die Klägerin an einem Sonntag mit dem Zugang von Postzustellungen nicht rechnen musste. Selbst wenn Wochenblätter verteilt werden würden, seien diese mit Briefsendungen nicht gleichzusetzen. Auch mit einem Zugang der Kündigung am 30.11.2014 (Sonntag) als letzten Tag der Probezeit habe sie nicht rechnen müssen.
Die Entscheidung spricht etwas ganz selbstverständliches aus und kann daher auch hinsichtlich ihres tragenden Argumentationsstranges, das man mit dem Zugang von Briefsendungen am Sonntag nicht rechnen müsste, auf jede Begründung verzichten. Sucht man eine Begründung, liegt diese hier darin, dass der Sonntag keine Arbeitszeit ist und Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 ArbZG sonntags nicht beschäftigt werden und deshalb auch keine Zustellungen von Briefsendungen (im Übrigen auch von Wochenblättern) zu erwarten sind. Der Sonntag als Tag der Ruhe ist auch im Grundgesetz geschützt.
Die Entscheidung zeigt, dass Rechtsanwälte als Selbstbetroffene manchmal in eigener Sache mit Argumentationssträngen arbeiten, die bei objektiver Betrachtung an der Grenze zum Nichtnachvollziehbaren liegen. Dass am Sonntag Privatpersonen (= Arbeitnehmer) nicht mit der Übermittlung von Briefsendungen rechnen müssen und daher die Kenntnisnahme des Briefkasteninhalts nur an den Wochentagen zu erwarten ist, an denen üblicherweise durch die Deutsche Post oder andere Briefdienstleister Briefsendungen überwacht werden, ist ganz selbstverständlich, nun aber durch das LAG Schleswig-Holstein entschieden. Die Grundsätze der Entscheidung wird man auf die Zustellung an staatlichen Feiertagen übertragen müssen.
Hoffen dürfen wir, dass die Kollegen Fristen ihrer Mandanten nicht wie hier auf den „letzten Drücker“ - und dann auch noch mit zweifelhaften Rettungsversuchen - erledigen.