29.03.2016

Reisende sollte man nicht aufhalten – auch nicht mit (wirksamen) Vertragsstrafeklauseln

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Detlef Grimm

Immer wieder enthalten Arbeitsverträge Vertragstrafen-Abreden, mit denen Verstöße von Arbeitnehmern bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist sanktioniert werden sollen. Das LAG Köln hat in einem Urteil vom 17.11.2015 (12 Sa 707/15) eine solche Vertragsstrafeklausel zu bewerten gehabt und sie für wirksam erklärt.

Die zu bewertende Klauselgestaltung war wie folgt formuliert:

„§ 6 Kündigung … 6: Für den Fall, dass der Arbeitnehmer die Arbeit nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt als vereinbart aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Dauer oder vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund beendet, ist eine Vertragsstrafe zu zahlen.“

„§ 15 Vertragsstrafe 1. Eine Vertragsstrafe ist wegen nachfolgend genannten Verstöße fällig:

a) unentschuldigtes Fehlen,

b) Nichtantritt der Arbeit bei Vertragsbeginn,

c) Nichteinhaltung der Kündigungsfrist,

d) Abwerbung von Mitarbeitern,

e) Abwerbung von Patienten,

f) Diebstahl,

g) Körperverletzung …

2: Für die Probezeit gilt als Vertragsstrafe die Höhe des Bruttolohns, der im Zeitraum der Kündigungsfrist erreichbar, als vereinbart. (Beispiel: 3 Wochen = 18 Arbeitstage x 6,67 h = 120 h x Stundensatz = Vertragsstrafe).“

Der Beklagte erschien am ersten Arbeitstag und wurde eingearbeitet. Am zweiten Arbeitstag gewährte der Arbeitgeber dem Beklagten – der sich in Privatinsolvenz befindet – aufgrund einer Wohnungsübergabe den gesamten Tag frei. Am dritten Arbeitstag erschien der Beklagte zunächst nicht und überreichte gegen Mittag seine fristlose schriftliche Kündigung. Der Kläger verlangte u.a. eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.540,00 €.

Das LAG Köln hat die Vertragsstrafenklausel in § 15 Nr. 1 c) des Arbeitsvertrages (Vertragsstrafe wegen Nichteinhalten der Kündigungsfrist) als nicht überraschend angesehen und auch so ausgelegt, dass sie die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne wichtigen Grund erfasst.

Vertragsstrafen-Abreden bei Verstößen gegen die Kündigungsfrist oder bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind – so das LAG Köln – nicht generell ungewöhnlich und verstoßen nicht gegen § 305 c Abs. 1 BGB. Es bedarf auch keines ausdrücklichen Hinweises in den Vertragsverhandlungen.

Zu klären war dann noch, ob von dem die Vertragsstrafe auslösenden Regelbeispiel des § 15 Abs. 1 c) (Nichteinhaltung der Kündigungsfrist) auch die außerordentliche Kündigung ohne wichtigen Grund des Arbeitnehmers erfasst ist.

Allgemeine Geschäftsbedingungen – so das LAG Köln – seien nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden können. Maßgeblich seien dabei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten Arbeitnehmers, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders (= Arbeitgebers).

Zwar regle die Klausel die außerordentliche Kündigung ohne wichtigen Grund nicht als eigenständigen Anwendungsfall. Sie sei jedoch nach dem objektiven Gehalt und typischem Sinn aus der Sicht des verständigen und redlichen Vertragspartners unter Interessen beider Seiten und der normalerweise beteiligten Verkehrskreise so zu verstehen, dass unter „Nichteinhaltung der Kündigungsfrist“ auch die außerordentliche Kündigung erfasst sei. Damit habe die Vertragsstrafeklausel das die Vertragsstrafe auslösende Fehlverhalten des Arbeitsnehmers hinreichend präzise geschrieben (dazu verweist das LAG auf BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, Rn. 23, 25).

Die Vertragsstafe sei auch nicht unangemessen benachteiligend und genüge der Inhaltskontrolle der §§ 307 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 BGB.

Sie sichere das berechtigte Bedürfnis des Arbeitgebers, eine arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Nichtaufnahme der Tätigkeit oder Beendigung der Arbeitstätigkeit durch den Arbeitnehmer zu vermeiden. Das gelte auch zur Verhinderung fristloser Beendigungen ohne außerordentlichen, wichtigen Grund (§ 626 Abs. 1 BGB). Sie benachteilige den Arbeitnehmer jedenfalls nicht dann unangemessen, solange sie für beide Parteien in gleichem Maße gelte (§ 622 Abs. 6 BGB) und die Grundkündigungsfristen des § 622 Abs. 1 BGB nicht überschreite. Die der Dauer der Vertragsverletzung proportionale Vertragsstrafe entspreche während der Probezeit genau dem Arbeitsentgelt für die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist – hier seien das vier Wochen gewesen. Deshalb sei die Höhe der Vertragsstrafe nicht unangemessen (Rz. 83 des Urteils, wo sich das LAG auf BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, Rn. 45 beruft).

Da die Vertragsstrafe auch verwirkt sei – was das LAG im Einzelnen ausführt – sei der Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe verpflichtet. Der Kläger dürfe in das freie, nicht auf den Treuhändler im Privatinsolvenzverfahren übertragende Vermögen des beklagten Schuldners vollstrecken. Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO gelte nicht (vgl. Uhlenbruck/Sternal, InsO 14. Aufl. § 294 Rz. 20).

Ob es sinnvoll ist, solche Prozesse gegen in der Privatinsolvenz befindliche Schuldner zu führen, muss jeder Arbeitgeber selbst entscheiden. Ich räume aber ein, dass es Verkehrskreise gibt (hier: Altenpfleger) in denen möglicherweise einigermaßen gesicherte Arbeitsaufnahmen und Arbeitsfortführungen nur so eingefordert werden können. Ich persönlich bin in meiner Beratungspraxis kein Freund solcher Klauseln, zumal sich die Mitarbeiter dann in Krankheit und anschließende Kündigung flüchten. Es gilt § 888 Abs. 3 ZPO!

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