18.05.2015

Scheinselbständigkeit – Inwieweit ist die Existenz von gut qualifizierten Solo-Selbständigen bedroht?

Portrait von Silke Becker
Silke Becker

Unsere Arbeitswelt verändert sich und damit auch die Formen der Selbständigkeit. Die „neue Selbständigkeit“ wird öffentlich überwiegend in Bezug auf den Niedriglohnsektor und die Schutzbedürftigkeit der Erwerbstätigen thematisiert. Daneben gibt es aber auch die gut qualifizierten Selbständigen, die sich ganz bewusst entschieden haben, ihr Know-how frei am Markt anzubieten. Zu dieser Gruppe gehören z.B. IT-Freelancer, Interim Manager, Honorarärzte, Ingenieure sowie weitere selbständige Berater und Experten („Wissensarbeiter“). Sie sind mittlerweile fester Bestandteil der Lebenswirklichkeit und Unternehmenspraxis.

Von den Sozialgerichten werden diese selbstständigen Wissensarbeiter nur eingeschränkt als Selbständige anerkannt. Lebenswirklichkeit und Rechtsprechung scheinen sich auseinanderzuentwickeln. Für die Beteiligten – Selbständige und deren Auftraggeber – und die beratenden Juristen stellt dieses Thema einen herausfordernden Spagat dar zwischen Lebenswirklichkeit und Unternehmenspraxis auf der einen Seite und Rechtsicherheit auf der anderen Seite.

Bemerkenswert ist, dass dieses Auseinanderfallen wenig thematisiert wird und dies, obwohl einige sozialgerichtliche Entscheidungen kaum noch Raum für selbständige Wissensarbeiter lassen. Eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema findet sich in der Habilitationsschrift „Interim Management“ von Prof. Dr. Katharina Uffmann (Jus Privatum / Mohr Siebeck, Februar 2015). Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Interim Manager ihre Leistungen selbständig und im Rahmen eines sozialversicherungsfreien Dienstverhältnisses erbringen können, führt aber auch aus, dass das BSG diese Möglichkeit kaum zuzulassen scheint. Sie stellt eine Diskrepanz der BSG-Rechtsprechung zur arbeitsrechtlichen Vertragstypenzuordnung fest und legt dar, warum dies rechtlich nicht haltbar ist.

Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beschäftigt sich mit dem Wandel der Erwerbsform. Im Grünbuch Arbeit 4.0 ist auf Seite 80 zu lesen: „…Kernanalyse wird sein, ob neue Tätigkeitsformen als „Beschäftigung“ zu bewerten sind…“. Und das aktuelle Gesetzesvorhaben zur „Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen“ könnte sich ebenfalls auf Wissensarbeiter auswirken.

Dies sind nur beispielhafte Aspekte, die die Unsicherheit der Rechtslage verdeutlichen. Demgegenüber sagen Wirtschaftswissenschaftler einen Anstieg der Selbständigkeit voraus. Das Spannungsfeld wird sich also nicht so schnell auflösen. Allen Beteiligten ist zu raten, sich der Komplexität des Themas bewusst zu sein, die aktuellen Entwicklungen im Blick zu haben und Entscheidungen mit Augenmaß zu treffen.

RAin Silke Becker, Silke Becker Consulting, www.silkebecker-consulting.de

==================== Hinweis der Redaktion: Ausführliche Informationen, Checklisten und Grafiken zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen finden Sie in Teil 1 A des neuen Tschöpe:

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