19.06.2012

Surrogatstheorie im Urlaubsrecht für immer beurlaubt

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

Seit Jahrzehnten hatte das BAG bei der Frage, ob ein Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung verlangen kann, trotz teilweise heftiger Kritik aus der Literatur daran festgehalten,  dass der Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG als Ersatz (Surrogat) des Anspruchs auf Freistellung von der Arbeit den gleichen Beschränkungen wie der Urlaubsanspruch unterliege. Das führte beim langandauernd erkrankten Arbeitnehmer dazu, dass der Urlaubsanspruch mit dem Ende des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlosch. Beim arbeitsfähigen Arbeitnehmer erlosch der Urlaubsanspruch, wenn er bei einem Ausscheiden im Kalenderjahr nicht in diesem geltend gemacht worden war.

Nachdem das aus europarechtlichen Erwägungen (EuGH v. 20.1.2009 - C-350/06 - Schultz-Hoff sowie die Folgerechtsprechung des BAG) nicht mehr für den langandauernd erkrankten Arbeitnehmer galt, hat das BAG die Surrogationstheorie mit seinem Urteil vom 19.6.2012 - Az. 9 AZR 652/10 nun auch für die anderen Fallkonstellationen aufgegeben.  Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt nunmehr als reiner Geldanspruch nicht mehr dem Fristenregime des BUrlG. Sachliche Gründe, warum für einen arbeitsfähigen Arbeitnehmer für den Verfall seines Abgeltungsanspruches andere Regelungen als für den arbeitsunfähigen Anspruch gelten sollen sieht der Senat unter seinem neuen Vorsitzenden Dr. Brühler nicht (mehr).

Ein zum 31.7.2008 ausgeschiedener Arbeitnehmer konnte daher nach dem Ende des Urlaubsjahres (und nach einem verlorenen Kündigungsschutzprozess) noch mit einem Schreiben am 6.1.2009 Urlaubsabgeltung für 16 Tage Urlaub 2008 verlangen. Die auf der seiner bisherigen Rechtsprechung  - nach der der Urlaub mit dem Ende des Jahres 2008 nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfallen gewesen wäre - beruhenden klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen hob das BAG auf. Arbeitnehmervertreter müssen solche Ansprüche nun - auch mit Blick auf Kündigungsschutzstreitigkeiten - geltend machen und dabei den Verfall im Blick haben. Unternehmen müssen bilanzielle Rückstellungen bilden, die erst mit dem Eintritt der Verjährung oder nach Verfall bei ordnungsgemäß gestalteten tarif- oder arbeitsvertraglichen Klauseln aufgelöst werden dürfen.

 

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