01.07.2013

Sympathie für China - eine Weltanschauung?

Portrait von Martin Reufels
Martin Reufels

Fallen unter den Begriff der Weltanschauung auch politische Überzeugungen?

§ 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dient unter anderem dem Zweck, Diskriminierungen wegen der Weltanschauung zu verhindern oder zu beseitigen.  Unklar ist aber, was genau unter einer Weltanschauung zu verstehen ist.

Die englische Fassung der EG-Richtlinie 2000/78 verwendet den Begriff „believe“, die französische Fassung den Begriff „convictions“. Beide Fassungen sprechen damit von „Überzeugungen“, so dass ein weites Verständnis der Weltanschauung naheliegt. Das Arbeitsgericht Berlin ließ die politische Überzeugung „Marxismus-Leninismus“ als gesamtgesellschaftliche Theorie unter den Begriff der Weltanschauung fallen (ArbG Berlin, Urt. v. 30.07.2009 – 33 Ca 5772/09). Das BAG hat dagegen bisher offengelassen, ob die Zugehörigkeit zu einer Partei oder das Eintreten für deren Ziele eine Weltanschauung darstellt (BAG, Urt. v. 12. 5. 2011 − 2 AZR 479/09; BAG, Urt. v. 21. 9. 2011 − 7 AZR 150/10).

In einer aktuellen Entscheidung hat sich das BAG nun erneut mit dieser Frage  befasst (BAG, Urt. v. 20.6.2013 – 8 AZR 482/12):

Die Klägerin hatte von 1987 bis 2010 für eine Rundfunkanstalt als Radio-/Online-Redakteurin in deren China-Redaktion gearbeitet. Der befristete Honorarrahmenvertrag wurde nicht verlängert. Nun warf sie der Beklagten vor, dass diese ihr eine Sympathie für die Volksrepublik China und deren Regierungspartei unterstellt und aus diesem Grund den Vertrag nicht verlängert habe. Sie sei damit aufgrund einer – tatsächlich nicht gegebenen - Weltanschauung diskriminiert worden.

Das LAG Köln wies in zweiter Instanz darauf hin, dass zwar dahinstehen könne, ob die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei eine Weltanschauung darstelle. Doch spricht es sich dafür aus, dass sich aus den anderen Übersetzungen der EG-Richtlinie der Schluss ergebe, dass der Begriff der Weltanschauung weit zu fassen sei und über eine feste innere, religionsähnliche Vorstellung von der Welt auch die Überzeugung von der Richtigkeit politischer Programme beinhalten könne. Doch reiche eine bloße "Sympathie" nicht aus, da jedenfalls eine tiefer gehende Identifizierung mit den Zielen einer Partei vorliegen müsse, die hier nicht vorgetragen sei (LAG Köln, Urt. v. 13.02.2012 – 2 Sa 768/11).

Das BAG wies die Klage mit dem Hinweis ab, dass die Sympathie für ein Land und eine Partei keine Weltanschauung darstelle. Die Sympathie für eine Partei lasse nicht den Schluss zu, dass deren Weltanschauung geteilt werde, falls letztere überhaupt existiere. Zwar konkretisiert auch dieses Urteil des BAG den Begriff der Weltanschauung nicht weiter, doch bietet es weitere Anhaltspunkte, um den Begriff einzugrenzen.

Im Hinblick auf die Beweislasterleichterung des § 22 AGG würde eine uferlose Ausweitung des Begriffs der Weltanschauung Bedenken begegnen.  Dem scheint das BAG jetzt Rechnung zu tragen.

M. Reufels / C. Lohölter

 

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