Urlaub und Quarantäne – Die Bundesregierung will den EuGH überholen
Neuregelungen verstecken sich manchmal in Gesetzespaketen, in denen man sie nicht vermutet. Und manchmal versucht der Gesetzgeber auch, die Rechtsprechung zu überholen. Ein Beispiel hierfür sind die vom Bundeskabinett beschlossenen Formulierungshilfen für Änderungsanträge zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 (COVID-19-SchG).
In einer Entscheidung vom 16.8.2022 – 9 AZR 76/22 (A) – hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet, um die Frage klären zu lassen, ob aus dem Unionsrecht die Verpflichtung des Arbeitgebers abzuleiten ist, einem Arbeitnehmer bezahlten Erholungsurlaub nachzugewähren, der zwar während des Urlaubs selbst nicht erkrankt ist, in dieser Zeit aber eine behördlich angeordnete häusliche Quarantäne einzuhalten hatte.
Nur kurz nach dieser Entscheidung nimmt die Regierung das Heft in die Hand und will diese Rechtsfrage auf dem Gesetzeswege klären. Auf Seite 30 der genannten Formulierungshilfe findet sich nun bereits das "gewünschte" Ergebnis der Vorlage an den EuGH: Eine Änderung im IfSG:
„§ 59 Arbeits- und sozialrechtliche Sondervorschriften(1) Wird ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs nach § 30, auch in Verbindung mit § 32, abgesondert oder hat er sich auf Grund einer nach § 36 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung abzusondern, so werden die Tage der Absonderung nicht auf den Jahresurlaub angerechnet."
Dies ist kein einmaliger Vorgang. Das zeigt die Geschichte des § 79a Satz 2 BetrVG. Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften, soweit der Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet. Dies hatte das BAG aber in mehreren Entscheidungen gerade offengelassen (BAG v. 9.4.2019 - 1 ABR 51/17, ArbRB 2019, 268 [Grimm]; BAG v. 7.5.2019 - 1 ABR 53/17, ArbRB 2019, 269 [Schewiola]). Herausgekommen ist eine Vorschrift, bei der man erhebliche Zweifel haben kann, ob Sie europarechtskonform ist (so ausf. Maschmann, NZA 2021, 834).
Es bleibt damit abzuwarten, wann die Politik wieder eingreift, um neu auftauchende Rechtsfragen eindeutig zu beantworten.