04.05.2020

Urlaubsgewährung während der Corona-Krise

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

Die Corona-Krise hat die meisten Urlaubspläne ins Wasser fallen lassen. Dies führt dazu, dass viele Arbeitnehmer den Wunsch haben, den bereits genehmigten Urlaub – zumindest teilweise – zurückzunehmen und sich für später aufzubewahren, wenn (hoffentlich) Reisen oder Freizeitaktivitäten in größerem Umfang möglich sind. Dies entspricht häufig nicht den Interessen vieler Arbeitgeber, denn deren Beschäftigungsbedarf dürfte in den kommenden Monaten gering bleiben, so dass das urlaubsbedingte Fehlen von Arbeitnehmern kaum ins Gewicht fällt. Wenn aber ab Herbst/Winter 2020 das Geschäft wieder anzieht, werden Unternehmen mit aller Kraft respektive der gesamten Belegschaft für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen wollen.

1. Grundsätze der Urlaubsgewährung

  • § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG sieht vor, dass bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Erfordernisse oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Das bedeutet praktisch: Zwar wird die zeitliche Lage des Urlaubs vom Arbeitgeber bestimmt, aber vom Wunsch des Arbeitnehmers darf er nur aufgrund der genannten Ausnahmen abweichen.
  • Dringende betriebliche Erfordernisse betreffen den gesicherten Fortgang des Betriebsablaufs. Darunter können auch die Auftragslage sowie die konkrete Bedeutung des Arbeitnehmers und der von ihm verrichteten Tätigkeit fallen. Im Übrigen kommen als dringende betriebliche Belange bspw. personelle Engpässe oder plötzlich auftretende Produktionsnachfragen in Betracht. Damit die betrieblichen Erfordernisse jedoch dringend sind, müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Urlaubsantrag schon greifbare Anhaltspunkte für eine durch Tatsachen begründete Prognose vorliegen.
  • Die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber erst dann berücksichtigen, wenn er aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse nicht allen Urlaubswünschen nachkommen kann (was regelmäßig der Fall sein wird). Dabei darf er die „konkurrierenden“ Urlaubsanträge nicht willkürlich bearbeiten, sondern muss dies unter Berücksichtigung von sozialen Gesichtspunkten tun; darunter fallen bspw.: Alter, Betriebszugehörigkeit, Handhabung in der Vergangenheit (wechselnde Bevorzugung), Öffnungszeiten von Kitas, Schulferien von schulpflichtigen Kindern, Urlaubsmöglichkeiten des Partners etc.
  • Wichtig: Selbst, wenn dem Urlaubsantrag des Arbeitnehmers nichts entgegensteht und der Arbeitgeber sich (unberechtigt) weigert, den Urlaubsantrag zu genehmigen, ist eine „Selbstbeurlaubung“ des Arbeitnehmers unter keinen Umständen erlaubt; eine solche Selbstbeurlaubung kann vielmehr eine Kündigung rechtfertigen. Will der Arbeitnehmer seinen Urlaubswunsch durchsetzen, ist er gezwungen, die Festlegung des Urlaubs gerichtlich einzuklagen.
  • Ist der Urlaubszeitraum einmal festgelegt, kann hiervon nur noch einvernehmlich abgewichen werden (dazu statt aller Schinz in HWK, 8. Aufl. 2018, § 7 BUrlG, Rz. 41f. m.w.N.; Leinemann/Linck, 2. Aufl. 2001, § 7 BUrlG, Rz. 58; Neumann/Fenski/Kühn, 11. Aufl. 2016, § 7 BUrlG Rz. 36). Weder kann der Arbeitnehmer seinen bereits genehmigten Urlaub zurücknehmen, abbrechen oder verschieben noch der Arbeitgeber den bereits genehmigten Urlaub widerrufen. Letzteres käme allenfalls ausnahmsweise im Einzelfall bei einer existenzgefährdenden Notsituation in Frage und ist vom BAG noch offengelassen worden (zutreffend Schinz in HWK, 8. Aufl. 2018, § 7 BUrlG, Rz. 43) .
  • Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG besteht auch in Corona Zeiten! Das ist bei der kurzfristigen Festlegung von Betriebsferien zu beachten.

2. Verhältnis von Kurzarbeit und Urlaub

Ob sich der Urlaubsanspruch bei einer längeren Phase von „Kurzarbeit Null“ verringert, ist umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden; es gibt allerdings gute Argumente, die dafür sprechen. Im Übrigen gelten bei einer Reduzierung der Wochenarbeitstage aufgrund von Kurzarbeit die allgemeinen Grundsätze zur Teilzeittätigkeit.

Jedenfalls sollten Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Einführung von Kurzarbeit vorsorglich gegenüber dem Arbeitnehmer erklären, dass und bestenfalls inwieweit sich die Urlaubsansprüche reduzieren. Dies hängt von der Anzahl der Wochenarbeitstage ab, an denen der betreffende Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung regelmäßig erbringen muss.

Zur Frage, ob und inwieweit Urlaubsansprüche zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt werden müssen, lautet die Position der Bundesagentur für Arbeit wie folgt:

„Aufgrund der aktuellen Coronavirus-Pandemie sieht die Bundesagentur für Arbeit bis zum 31.12.2020 davon ab, die Einbringung von Erholungsurlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr zur Vermeidung von Kurzarbeit einzufordern, sofern individuelle Urlaubswünsche/-planungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestehen. Die individuellen Urlaubswünsche sind in der aktuellen Situation besonders zu schützen, damit es zum Beispiel Eltern möglich bleibt, Urlaubstage für die Betreuung ihrer Kinder wegen Schließung von Kitas und Schulen zu nutzen. Resturlaub soll wie gehabt zur Vermeidung von Arbeitsausfällen eingesetzt werden. Das heißt Arbeitgeber sollen mit Beschäftigten, die noch „alte“, bisher unverplante Urlaubansprüche haben, den Antritt dieses Urlaubs in Zeiten mit Arbeitsausfall im Betrieb vereinbaren. Aber auch hier gehen die Urlaubswünsche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor.“

Im Ergebnis sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmern einen Ausgleich der Interessen herbeiführen, ohne hierbei Nachteile beim Bezug von Kurzarbeitergeld oder einen Mangel an Personal bei Wiederaufleben des Unternehmensbetriebs zu erfahren.

Dr. Detlef Grimm                                    Farzan Daneshian, LL.M

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