21.12.2018

Vom BVerfG geforderte Anpassung des Tarifeinheitsgesetzes vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

Der Bundesrat hat am 14.12.2018 das Qualifizierungschancengesetz gebilligt. In diesem ist – versteckt als Art. 4f der BR-Drucksache 605/18, Seite 6 die vom BVerfG geforderte Anpassung des Tarifeinheitsgesetzes in § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG verabschiedet worden. Der Bundestag hatte das Gesetz am 30.11.2018 beschlossen (BT-Drucks. 19/6146 v. 28.11.2018, Seite 31).

Das BVerfG hatte verlangt, dass ein von einer Minderheitsgewerkschaft (meist ist das eine wegen ihrer Spezialisierung kampfstarke Berufsgruppengewerkschaft) ausgehandelter Tarifvertrag nur dann von einem kollidierenden Tarifvertrag verdrängt wird, „wenn plausibel dargelegt ist, dass die Mehrheitsgewerkschaft die Interessen der Berufsgruppen, deren Tarifvertrag verdrängt wird, ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat.“ Es hatte dem Gesetzgeber in seinem Urteil vom 11.7.2017 – 1 BVR 1571/15 (NZA 2017, 915) eine Frist zur Neuregelung bis zum 31.12.2018 gesetzt.

Offensichtlich hat man sich im Herbst dieser Frist erinnert. Im. Qualifizierungschancengesetz, das Weiterbildungsangebote der Bundesagentur für Arbeit zum Gegenstand hat, hat man ganz überraschend und sehr spät in dem seit Sommer laufenden Gesetzgebungsverfahren die Neuregelung des § 4a TVG untergebracht.

Die Neuregelung hat folgenden Inhalt, der mit Wirkung ab dem 1.1.2019 gilt (die Neuregelungen sind kursiv dargestellt):

„Soweit sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden (kollidierende Tarifverträge), sind im Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrages im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat (Mehrheitstarifvertrag); wurden beim Zustandekommen des Mehrheitstarifvertrages die Interessen von Arbeitnehmergruppen, die auch von dem nach dem ersten Halbsatz nicht anzuwendenden Tarifvertrag erfasst werden, nicht ernsthaft und wirksam berücksichtigt, sind auch die Rechtsformen dieses Tarifvertrags anwendbar.“

Bepler hat in juris PR-ArbR 51/2018 Nr. 1 unter dem Titel „Tarifeinheitsgesetz reloaded“ die Mängel der Neuregelung plastisch und lebendig dargestellt, dem kann ich nichts mehr hinzufügen.

Noch etwas: Wie beim Seemannsgesetz im Jahr 2002, bei dem die Einfügung von § 613a Abs. 5 und Abs. 6 BGB enthalten war, ist noch weiteres im Qualifizierungschancengesetz in den Art. 4d und 4e der BR-Drucks. 605/18 versteckt: Der vom EuGH im Jahr 2010 (!) verworfene § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach bei den Kündigungsfristen Beschäftigungszeiten unter dem 20. Lebensjahr nicht berücksichtigt werden, ist nun durch die Streichung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB angepasst worden, schon nach acht Jahren! Chapeau. Und es gibt es gibt nun auch bei Ryanair Betriebsräte: § 117 Abs. 1 BetrVG wird dahingehend ergänzt, dass das BetrVG auf im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer anzuwenden ist, wenn keine Bordvertretung durch einen Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG errichtet ist. Damit hat der Gesetzgeber auf den der bisherigen Rechtslage entsprechenden Beschluss des Hess. LAG v. 3.9.2018 (16 TaBVGa 86/18) doch sehr schnell reagiert.

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