25.10.2017

Weiter offen: Gibt es einen Anspruch auf halbe Urlaubstage?

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Detlef Grimm

Das BAG ist im Urteil vom 26.07.2017 (9 AZR 120/16) der Frage ausgewichen, ob Arbeitnehmer Anspruch auf Erholungsurlaub an halben Tagen haben (sog. Teilurlaub). Die Literatur verneint ganz überwiegend einen Anspruch auf Teilurlaubstage (HWK-Schinz, 7. Auflage 2016, § 7 BUrlG, Rz. 48 unter Hinweis auf BAG 09.07.1965 – 5 AZR 360/64; ErfK-Gallner, 17. Auflage 2017, § 7 BUrlG, Rz. 25 ff. jew. m.w.N.).

Das LAG Hamburg als Vorinstanz (v. 21.09.2014 – 8 Sa 46/14) hatte ausgeurteilt, dass Urlaubsansprüche auch in der Art halber Urlaubstage verlangt und erfüllt werden könnten (so zuvor schon LAG Hannover v. 23.04.2009 – 7 Sa 165/08). Anders hatte sich das LAG Düsseldorf im Urteil vom 25.07.2007 – 12 Sa 944/07 unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 BUrlG positioniert.

Anmerkung: Grundsätzlich ist immer aber die einvernehmliche Gewährung von halben Urlaubstagen möglich, was das BAG im Urteil vom 26.01.1989 – 9 AZR 730/87 entschieden hatte.

Im konkreten Fall hatte der als Schlagzeuger tätige Kläger halbe Urlaubstage verlangt, insbesondere dann, wenn das Musical, in dem er tätig war, samstags und sonntags zweimal pro Tag aufgeführt wurde. Der Kläger bezog sich zur Begründung des Anspruchs auch auf seine Schwerbehinderung, die ihn physisch und psychisch sehr stark belastet hätte.

Der neunte Senat löst den Fall für sich prozessual: Der Leistungsantrag des Klägers sei unbestimmt. Das BAG hat die dem Anspruch stattgebende Entscheidung des LAG Hamburg deswegen aufgehoben.

Das Bestimmtheitsgebot des. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordere, dass bei einer Klage auf Abgabe einer Willenserklärung, die nach § 894 Satz 1 ZPO mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils als abgegeben gelte, der beantragte Entscheidungsausspruch keine Zweifel darüber lasse, ob die gesetzliche Fiktion eingetreten sei.

Hier hatte der Kläger beantragt, ihm einen Teilurlaub von einem halben Tag dann (das ist eine Bedingung) zu gewähren, wenn

  • er einen Urlaubsantrag gestellt hat
  • die gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG beachtet ist
  • wenn dringende betriebliche Belange nicht entgegenstehen und
  • nicht Urlaubswünsche von Arbeitnehmern bestehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang haben.

Zwar habe der Kläger § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG abgeschrieben. Diese abstrakten Bedingungen machten aber völlig unklar, wann die Freistellungserklärung des beklagten Arbeitgebers gem. § 894 ZPO fungiert werde oder nicht, weil der Bedingungseintritt völlig unklar sei.

Dass daneben auch zukünftig und nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstehende Urlaubsansprüche betroffen gewesen wären und so gegen § 259 ZPO verstoßen worden sei, erwähnt das BAG nur am Schluss.

Spannend wird sein, wie die Gerichte mit der Frage umgehen, ob halbe Urlaubstage dem Erholungszweck des Urlaubs entsprechen oder nicht. Hier hat die soziale Wirklichkeit den ursprünglichen Gedanken des Erholungszwecks des Urlaubs, der beim früher dreiwöchigen gesetzlichen Erholungsurlaub maßgeblich gewesen war, doch aus dem Blick verloren.

Arbeitnehmer setzen Urlaub heute neben dem „Haupturlaub“, mit dem der Erholungszweck verwirklicht wird, doch zur allgemeinen Freizeitnutzung ein. Insoweit können die Erwägungen aus früherer Zeit (der drei- oder später vierwöchige Erholungsurlaub muss zusammenhängend genommen werden, weil sich Mitarbeiter sonst nicht erholen) m.E. nicht mehr auf die „moderne“ Urlaubswelt mit einem überwiegend vertraglich geregelten 30-Tage-Erholungsurlaub übertragen werden. Denkbar wäre also, den gesetzlichen Urlaubsanspruch als nicht teilbar anzusehen und die Teilbarkeit für den § 3 Abs. 1 BUrlG übersteigenden Urlaub zuzulassen. Das entspricht der Realität und schützt die Arbeitnehmer vor „Nichterholung“ durch Halb-Tags-Urlaube.

 

 

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