26.06.2013

Wer redet, fliegt (aus dem Betriebsrat)

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

§ 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG enthält die Regelung der Verschwiegenheitsverpflichtung für Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in Bezug auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Für den Bereich persönlicher Informationen über Arbeitnehmer und Bewerber regelt § 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, dass die Verpflichtung aus § 79 BetrVG entsprechend für die „persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer“ gilt, soweit diese im Verfahren nach § 99 BetrVG dem Betriebsrat bekannt geworden sind. Im Rahmen eines vom Arbeitgeber gestellten Antrages, wegen eines Verstoßes gegen das Vertraulichkeitsgebot des § 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG einen Betriebsratsvorsitzende wegen grober Pflichtverletzung nach § 23 Abs. 1 BetrVG aus dem Amt auszuschließen, hat sich das LAG Düsseldorf (Beschl. v. 9.1.2013 – 12 TaBV 93/12) mit der Norm  und betriebsverfassungsrechtlichen Sanktionen bei Verstößen befasst.

Der Betriebsratsvorsitzende hatte auf einer Betriebsversammlung, in der es um die Einstellungspolitik des Arbeitgebers ging, wörtlich aus der Bewerbungs-E-Mail eines zuvor beim Arbeitgeber beschäftigten Bewerbers, der sich um eine neue Einstellung mit niedriger Vergütung beworben hatte, detailliert vorgelesen, ohne den Arbeitnehmer namentlich zu erwähnen. Diese Mail war dem Betriebsrat im Einstellungsverfahren nach § 99 BetrVG bekannt geworden. Nachdem schon das Arbeitsgericht Oberhausen als Vorinstanz dem Antrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG stattgegeben hatte, bestätigte das LAG Düsseldorf den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden.

Durch das Vorlesen der E-Mail habe der Betriebsratsvorsitzende objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend gegen seine ihm als Betriebsratsmitglied obliegenden Pflichten verstoßen, weshalb die weitere Amtsausübung unter den konkreten Umständen des Einzelfalles untragbar sei. Aus Sicht der Kammer genügte der einmalige Pflichtverstoß zur Begründung der groben Pflichtverletzung, wenn man insbesondere den Gesamtkontext berücksichtige. Der Betriebsratsvorsitzende habe – was man im betrieblichen Meinungskampf je nach den Umständen dürfe – nicht nur einen empörten und „scharfen Ton“ angeschlagen, um einen aus Sicht des Betriebsrats bestehenden Missstand deutlich und klar anzuprangern. Er habe eine konkrete Verknüpfung des Missstandes mit einem einzustellenden Mitarbeiter hergestellt und durch das wörtliche Zitat auf einen Mitarbeiter hingewiesen, der sich selbst als ein solcher darstellt, der die geforderten Anforderungen nicht erfüllt, weil er weder einen Berufsabschluss hat und einen Führerschein besitzt noch Erfahrungen im Bereich Garten- und Landschaftsbau hat. Der Mitarbeiter wurde dann vom Betriebsratsvorsitzenden auch noch als „billige Arbeitskraft“ bezeichnet, ohne dass irgendwelche Anhaltspunkte für eine Einwilligung bestanden hätten. Hiermit habe der Betriebsratsvorsitzende den Mitarbeiter – ohne dass dies sachlich notwendig gewesen sei – verunglimpft und in ein schlechtes Licht gerückt. Diese Herabwürdigung sei schwerwiegend und stelle eine grobe Pflichtverletzung dar. Orientiert am Zweck des § 23 Ab. 1 BetrVG – Sicherstellung der ordnungsgemäßen Amtsausübung des Betriebsrats – bestünde die Gefahr, dass sich Belegschaftsmitglieder mit ihrem Anliegen nicht mehr an den Betriebsrat wenden würden und die Funktionsfähigkeit des Organs nachhaltig gestört sei.

Die Entscheidung überzeugt vor dem Hintergrund des Schutzes des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer, das auch und gerade vom Betriebsrat als Hüter und Wahrer des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer (§ 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) zu beachten ist. Diese Pflichten sind dem Betriebsrat auch ohne weiteres bekannt und sowohl in § 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG für die personelle Mitbestimmung noch einmal herausgestellt als auch aus § 75 Abs. 2 BetrVG ableitbar. Das Verhalten war damit vorsätzlich, wobei die Bezeichnung des Mitarbeiters als „billige Arbeitskraft“ besonders leichtfertig war, weil die fehlende Rechtfertigung hierfür jedenfalls ohne große Überprüfung erkennbar gewesen wäre. 

Betriebsräten kann nur empfohlen werden, im Rahmen ihrer Tätigkeit mehr als bisher zu hinterfragen, welche ihnen zugegangenen Informationen – insbesondere dann, wenn es sich um personalrelevante Informationen handelt, aber auch dann, wenn es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse i. S. d.  § 79 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt – sie in welchem Zusammenhand veröffentlichen dürfen. Im Bereich des betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 84 SGB IX ist die pingelige Einhaltung der Verschwiegenheit augenfällig. In der Praxis dürfte die Verschwiegenheitspflicht häufig leichtfertig übergangen werden. Der – mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffene – Beschluss des LAG Düsseldorf zeigt, dass es nicht ohne Risiken ist, wenn Arbeitgeber dies aufgreifen.

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