27.12.2012

Whistleblowing - Risiko einer Kündigung?

Portrait von Martin Reufels
Martin Reufels

Whistleblowing ist nicht immer eine "Heldentat" - manchmal kann dies auch Grund für eine Kündigung sein.

So hat das LAG Köln unlängst entschieden, dass die vorschnelle Anzeige angeblichen Fehlverhaltens des Arbeitgebers beim Jugendamt durch eine Arbeitnehmerin, die mit der Betreuung von Kleinkindern beschäftigt ist, einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen kann (Urteil vom 5.7.2012 – 6 Sa 71/12).

Die Klägerin war bei den beklagten Eheleuten als Hauswirtschafterin angestellt und dabei mit der Betreuung der beiden Kinder (2 Jahre und 10 Monate alt) beschäftigt. Nach Erhalt der ordentlichen Kündigung hatte die Klägerin ihre Arbeitgeber bei dem zuständigen Jugendamt wegen der angeblichen Verwahrlosung eines der Kinder angezeigt. Daraufhin kündigten die Eheleute ihr fristlos. Die Klägerin erhob aufgrund dessen Klage beim Arbeitsgericht. Sie habe - nach Erhalt der ordentlichen Kündigung - das Recht zur Information des Jugendamtes gehabt. Das Jugendamt solle klären, ob Missstände vorlägen. Das sah das LAG anders. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine vom Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber erstattete Anzeige bei einer staatlichen Behörde einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen (BAG vom 05.02.1959 - 2 AZR 60/56). Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitnehmer mit der Erstattung einer (Straf-)Anzeige ein grundrechtliches Freiheitsrecht (Artikel 2 II GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip) ausübt (BVerfG, 20.07.2001 - 1 BVR 249/00). (Straf-) Anzeigen von Arbeitnehmern unterliegen dem Geltungsbereich des Artikels 10 EMRK, der eine durch die Grundrechte der Beteiligten geprägte umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit verlangt (EGMR, 21.07.2011, 28274/08). Danach stellte das Verhalten der Klägerin eine unverhältnismäßige Reaktion dar. Sie hätte schon früher unter Beachtung ihrer Loyalitätspflicht eine interne Klärung mit ihrem Arbeitgeber versuchen müssen. Erst nach dem Scheitern eines solchen Versuchs wäre dann die Einschaltung der Behörde in Betracht gekommen. Durch die vorschnelle Anzeige beim Jugendamt hat die Klägerin die Beklagten leichtfertig beschuldigt und das Vertrauensverhältnis in einer Weise belastet, dass den Beklagten eine Weiterbeschäftigung auch nur während der noch laufenden Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar war.

Die - teilweise widersprüchlichen - Behauptungen der Klägerin zum Zustand des Kleinkindes bedurften daher keiner Aufklärung. Unabhängig davon war eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagten wegen des unvertretbaren Verhaltens der Klägerin nicht länger zumutbar.

Dies alles zeigt, daß Arbeitnehmer mit einem zu schnellen "Whistleblowing" vorsichtig sein sollten.

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