27.10.2016

Wie stimmt man im Betriebsrat richtig ab?

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

Rechtsstreitigkeiten innerhalb von Betriebsräten sind selten, Anlass dafür gibt es – so hört man – oft. Einen interessanten Fall zur innerbetrieblichen Demokratie hatte das BAG am 7.6.2016 (1 ABR 30/14) zu entscheiden. Es hat festgestellt, dass einzelne Mitglieder des Betriebsrats nicht im Beschlussverfahren klären lassen können, ob der Leiter der Betriebsratssitzung ihr Abstimmungsverhalten zutreffend gewürdigt und damit die erforderliche Mehrheit für Betriebsratsbeschlüsse (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) richtig festgestellt hat.

In einem Betrieb in S wurden ca. 20000 Arbeitnehmer beschäftigt, entsprechend groß war der Betriebsrat. Da das Arbeitsgericht Stuttgart erstinstanzlich beteiligt war und die Mehrheit der Mitglieder auf der Liste der IG Metall kandidiert hatte, können wir uns vorstellen, um welchen Betrieb der Automobilindustrie es sich handelt.

Der Betriebsrat hat sog. Kommunikationsbeauftragte für die Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft, die durch Mehrheitsbeschluss bestellt werden. Eine einflussreiche Position also. Bei der Abstimmung wurde zunächst nach „Nein-Stimmen“ und dann nach „Enthaltungen“ und nicht ausdrücklich nach „Ja-Stimmen“ gefragt. Diese sog. Subtraktionsmethode sei – so die Antragsteller, die nicht einer der IG Metall zuzurechnenden Liste angehören – unzulässig, weil ein aktives und positives Bekenntnis zur Annahme des Antrags nicht sicher sei. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass Betriebsratsmitglieder entweder bei der Abstimmung abgelenkt gewesen seien oder die Zahl der Betriebsratsmitglieder durch Verlassen des Raumes während der Sitzung geschwankt habe.

Mit der Frage der richtigen Art und Weise der Abstimmung beschäftigt sich das BAG (noch) nicht (einmal). Die einzelnen Antragsteller haben schon keine Antragsbefugnis.

Mitglieder des Betriebsrats könnten weder die Unwirksamkeit eines Beschlusses noch die Rechtswidrigkeit von Handlungen, solange und soweit keine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition betroffen sei, geltend machen. Ein einzelnes Mitglied sei daran gehindert – so das BAG – die Feststellung eines Abstimmungsergebnisses durch die Sitzungsleitung überprüfen zu lassen. Eine eigene Rechtsposition sei lediglich das Recht auf Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, das Rederecht und das Recht auf Stimmabgabe. Dass das eigene Stimmverhalten falsch festgestellt worden sei, behaupteten die Antragsteller nicht. Es sei irrelevant, wenn sie sich darauf berufen würden, der Sitzungsleiter habe das Verhalten anderer Betriebsratsmitglieder fehlerhaft als Ja-Stimme gewertet. Das betreffe – so das BAG – das Recht der anderen Betriebsratsmitglieder.

Auch die weiter – im Hilfsantrag – begehrten Vorgaben für die Feststellung des Stimmergebnisses nach § 33 Abs. 1 BetrVG weist das BAG zurück. Ein bestimmtes Abstimmungsprozedere sehe das BetrVG nicht vor. Die Modalitäten des Verfahrens – so der 1. Senat – bei der Durchführung von Beschlussfassungen oblägen dem Betriebsratsvorsitzenden als Sitzungsleiter und ggf. dann dem Betriebsrat als Organ.

Die Subtraktionsmethode hat der BGH im Beschluss vom 19.09.2012 (V ZB 37/02) bei Abstimmungen nach § 23 WEG als zulässig angesehen. Auch im Aktiengesetz ist bei Abstimmungen nach § 133 AktG die Subtraktionsmethode jedenfalls dann zulässig, sofern die Gesamtzahl der Teilnehmer hinreichend zuverlässig aus dem Teilnehmerverzeichnis und einer Präsenzliste entnommen werden kann, was eine ständige Aktualisierung des Teilnehmerverzeichnisses erfordert (zum Meinungsstand nur Hüfffer/Koch, 12. Auflage 2016, § 133 AktG, Rz. 24 m.w.N).

Hier hatte der Betriebsrat die Präsenz namentlich festgelegt. Überträgt man die Grundsätze aus WEG und AktG erweist sich der Beschluss des BAG also auch materiell-rechtlich als stimmig mit anderen Rechtsgebieten WEG und AktG.

Soweit es die vom BAG entschiedene Frage der Antragsbefugnis betrifft, ist die Entscheidung des BAG sehr praxisgerecht: Ansonsten würden die Arbeitsgerichte wohl mit Streitigkeiten zu Abstimmungsverhalten relativ oft beschäftigt und Arbeitgeber mit entsprechenden Kosten der von den zerstrittenen Betriebsratsparteien „zulasten Dritter“ losgetretenen Beschlussverfahren nach § 40 BetrVG belastet. Insoweit eine weise Entscheidung des BAG.

Zurück