Zulässigkeit sachgrundloser Befristungen für 42 Monate durch Tarifvertrag
Die Tarifvertragsparteien können gem. § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG kumulativ sowohl hinsichtlich der Anzahl der zulässigen Verlängerungen eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags als auch hinsichtlich der Höchstdauer der Befristung vom Gesetz abweichende Regelungen treffen.
Diese Dispositionsbefugnis wird nicht überschritten, wenn ein Tarifvertrag eine viermalige Verlängerung bis zu einer Höchstdauer von 42 Monaten zulässt.
BAG, Urt. v. 15.8.2012 – 7 AZR 184/11 (Hessisches LAG – 10 Sa 659/10) TzBfG § 14 Abs. 2 Sätze 1, 3 u. 4
Das Problem: Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis, das nach Auffassung der Arbeitgeberin durch wirksame sachgrundlose Befristung nach drei Verlängerungen und einer Gesamtdauer von 42 Monaten geendet hat, fortbesteht. Die nicht tarifgebundenen Parteien hatten im Arbeitsvertrag die Geltung des Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vereinbart. Dieser Tarifvertrag lässt die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von 42 Monaten und die höchstens viermalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zu. Der Kläger meint, § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG lasse nur entweder eine Erhöhung der Anzahl der Verlängerungen oder eine Erhöhung der Höchstdauer zu, nicht jedoch beides.
Die Entscheidung des Gerichts: Die Klage hat keinen Erfolg. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4374, S. 20) und nach dem Sinn und Zweck von § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG sind die Tarifvertragsparteien berechtigt, die Zulässigkeit sachgrundloser Befristungen nicht nur entweder hinsichtlich der Anzahl der Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge oder hinsichtlich der Höchstdauer der Befristung, sondern auch kumulativ hinsichtlich beider Vorgaben abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zu regeln.
Die Dispositionsbefugnis der Tarifvertragsparteien wird allerdings durch die aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende staatliche Schutzpflicht sowie durch das in der Richtlinie 1999/70/EG des Rats vom 28.6.1999 verfolgte Ziel einer Verhinderung von Missbrauch durch aufeinander-folgende befristete Arbeitsverträge beschränkt. Die Zulassung einer viermaligen Verlängerung bis zu einer Höchstdauer von 42 Monaten überschreitet nach der Auffassung des Gerichts diese Beschränkung aber nicht. Die damit wirksame tarifvertragliche Regelung kann im Rahmen ihres Anwendungsbereichs gem. § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG auch zwischen nicht tarifgebundenen Parteien eines Arbeitsvertrags vereinbart werden.
Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung korrigiert ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers bei der Verwendung der Konjunktion „oder“ in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG, das in der Literatur bereits als solches erkannt worden war.
Beraterhinweis: Das Gericht hat ausdrücklich offengelassen, wo die Grenze der den Tarifvertragsparteien eröffneten Regelungsbefugnis genau liegt. Für tarifliche Regelungen mit einem von der dreimaligen Verlängerung bis zu 24 Monaten abweichenden Flexibilisierungspotenzial, das deutlich über die konkret entschiedene Regelung hinausgeht, besteht daher weiterhin Unsicherheit über die Zulässigkeit erweiterter sachgrundloser Befristungen.
RA FAArbR Werner M. Mues, CBH – Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner, Köln