Zur "angemessenen Vergütung" im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 AÜG
Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Angemessenheit einer Vergütung, die sich ein Verleiher im Überlassungsvertrag mit einem Entleiher für den Fall zusagen lässt, dass der überlassene Arbeitnehmer während des bestehenden Überlassungsvertrags oder in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang damit ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet (BGH vom 11.3.2009 - III ZR 240/09, NJW 2010, 2048 = ArbRB 2010, 146 [Sasse]), bestätigt und präzisiert.
Die Vereinbarung eines Vermittlungsentgelts bei der Arbeitnehmerüberlassung ist als solche zulässig und kann auch Gegenstand Allgemeiner Geschäftsbedingungen sein. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 AÜG ist aber Voraussetzung, dass die vereinbarte Vergütung "angemessen" ist.
Unter Berücksichtigung des sozialpolitischen Zwecks der Regelung sind Vereinbarungen zwischen Verleiher und Entleiher unzulässig, die den Wechsel des Arbeitnehmers zum Entleiher verhindern oder wesentlich erschweren. Davon können auch Vermittlungsprovisionen erfasst sein, die sich der Verleiher für den Fall der Übernahme des Arbeitnehmers durch den Entleiher versprechen lässt, wenn sie geeignet sind, die Übernahme des Arbeitnehmers in ein festes Arbeitsverhältnis durch den Entleiher zu erschweren oder faktisch zu verhindern. Bei der Beurteilung, ob eine Vergütung "angemessen" ist, ist der Zweck der Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsätze 1 und 2 AÜG in den Blick zu nehmen. Danach ist die Übernahme des Leiharbeitnehmers in ein reguläres Arbeitsverhältnis (sog. "Klebeeffekt") sozialpolitisch erwünscht und damit grundsätzlich "honorarwürdig". Die Vermittlungsvergütung ist teilweiser Ausgleich dafür, dass der ungeplante Wechsel zum Entleiher erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den Verleiher bringen kann, da er einen von ihm ausgewählten und bereitgehaltenen, qualifizierten und offenbar geschätzten Arbeitnehmer "verliert", wohingegen der Entleiher einen wirtschaftlichen Vorteil erhält, indem er einen Arbeitnehmer einstellen kann, den er zuvor - während der Überlassung - erfolgreich erprobt hat.
Auf der Grundlage dieser Maßstäbe hat der BGH das Bruttoeinkommen des Arbeitnehmers bei seinem neuen Arbeitgeber als adäquate Bemessungsgröße für die Vergütung des Arbeitsverleihers im Falle des Wechsels des Arbeitnehmers zum Entleiher angesehen, weil es mit dem wirtschaftlichen Wert des mit dem Wechsel des Arbeitnehmers einhergehenden Nachteils für den Verleiher, des entsprechenden Vorteils für den Entleiher und einer funktionsgleichen Vermittlungsleistung korrespondiert. Hinsichtlich der Höhe hat der BGH Vergütungsklauseln gebilligt, in denen für eine Übernahme nach bis zu dreimonatiger Überlassungsdauer eine Vergütungshöhe von 15 % des Jahresbruttoeinkommens (nebst Umsatzsteuer) bzw. von zwei Bruttomonatsgehältern vorgesehen waren. Dabei hat er aber klargestellt, dass sich eine solche Vergütung "noch" im Rahmen des Angemessenen hält und jetzt bekräftigt, dass eine höhere finanzielle Belastung des vormaligen Entleihers und neuen Arbeitgebers mit der sozialpolitischen Zielsetzung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG nicht vereinbar und daher nicht mehr angemessen im Sinne des Halbsatzes 2 dieser Vorschrift ist (BGH vom 10.3.2022 - III ZR 51/21, https://juris.bundesgerichtshof.de).
Dem hielt die im entschiedenen Fall zu beurteilende Klausel nicht stand, weil bei ihr Bemessungsgrundlage für die Vermittlungsprovision der während der Überlassung vereinbarte Verrechnungssatz sein sollte und sich der Verrechnungssatz in der Regel aus dem dem Arbeitnehmer vom Verleiher zu zahlenden Bruttoarbeitslohn und dem von diesem berechneten Aufschlag für den Verleih (Verleihgebühr) zusammensetzt. Der BGH hat ein weiteres Argument angeführt: in Fällen, in denen sich an das Leiharbeitsverhältnis eine Teilzeitbeschäftigung bei dem bisherigen Entleiher anschließt, würde die verwendete Klausel einen "Spreizungseffekt" entfalten, der den zukünftigen Arbeitgeber zusätzlich von der Einstellung der in der Vermittlung dann besonders teuren Teilzeitkraft abhalten könnte. Dies würde Arbeitnehmer, die aus persönlichen Gründen ihre Arbeitszeit reduzieren wollen (etwa, weil sie Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu betreuen haben), besonders benachteiligen, weil sich ihre Einbindung in ein festes Arbeitsverhältnis für den Entleiher als neuem Arbeitgeber vielfach finanziell nicht mehr lohnen würde. Insoweit handele es sich nicht um einen untypischen, vom Verwender nicht bedachten Ausnahmefall, der bei der Auslegung möglicherweise außer Betracht zu bleiben hätte, sondern um eine denkbare, nicht als besonders ungewöhnlich anzusehende Entwicklung der tatsächlichen Lebensverhältnisse. Die Gefahr eines Missbrauchs rechtfertige keine abweichende Sichtweise. Etwaigen Manipulationsversuchen mit dem Ziel, die Provision gering zu halten, könne im Einzelfall durch Berücksichtigung von der Vertragslage abweichender Tatsachen Rechnung getragen werden.
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn www.redeker.de