05.04.2017

Abwägung Fehlanzeige. Warum dem BVerfG das NetzDG nicht gefallen wird.

Portrait von Niko Härting
Niko Härting

Heute hat das Bundeskabinett den Entwurf eines "Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG)" beschlossen. Die Betreiber größerer sozialer Netzwerke sollen durch diesen NetzDG-RegE dazu verpflichtet werden, Beiträge innerhalb von 24 Stunden bzw. 7 Tagen zu löschen, wenn die Beiträge den objektiven Tatbestand einer Strafnorm erfüllen. Dabei hat man es vor allem auf "Hate Speech" und "Fake News" abgesehen (BMJV, "Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken", PM v. 5.4.2017). Die gegenwärtigen rechtlichen Möglichkeiten für Betreiber sozialer Netzwerke, durch Löschungen und Sperrungen von Beiträgen und Nutzerprofilen gegen Hate Speech, Fake News und Social Bots vorzugehen, erörtern ausführlich Elsaß/Labusga/Tichy, CR 4/2017, 234 ff.).

Kein Automatismus

Die Befürworter des Gesetzesvorhabens verweisen gerne darauf, dass es nicht um Redeverbote und Zensur gehe, sondern lediglich um die Durchsetzung geltenden Rechts. Dabei verkennen sie, dass die Rechtsanwendung gerade bei Äußerungsdelikten kein mechanischer Vorgang ist, bei dem innerhalb kürzester Zeit zwischen straffreien Meinungsäußerungen und strafbaren Delikten unterschieden werden kann.

Notwendigkeit einer Abwägung

Staatliche Verbote von Meinungsäußerungen sind stets ein Eingriff in die durch Art. 5 Grundgesetz (GG) geschützte Meinungsfreiheit. Daher mahnt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in ständiger Rechtsprechung, dass bei jedem Verbot eine Abwägung stattzufinden hat zwischen Art. 5 GG und den Persönlichkeitsrechten, die durch das Verbot geschützt werden sollen:

"Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits ... . Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab." (BVerfG, Beschl. v. 8.2.2017 - Az. 1 BvR 2973/14,  Rz 13)
  • Forderung des BVerfG:

Dieser Satz findet sich in einer heute veröffentlichten Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 8.2.2017, Az. 1 BvR 2973/14), in der es um folgende Äußerung über ein Mitglied des Bundestages ging:

„Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."

Die Äußerung über den Abgeordneten stammt aus dem Jahre 2011, und das BVerfG hat es jetzt den Fachgerichten aufgegeben, die bislang verabsäumte Abwägung nachzuholen.

  • Lücke im NetzDG-RegE:

Von einer Abwägung, wie sie das BVerfG vorschreibt, ist in dem NetzDG-RegE nicht die Rede.

Fazit

Man darf daher schon jetzt darauf setzen, dass Karlsruhe das neue Gesetz nicht gefallen wird.

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