Abwegige Abmahnungen: Warum der Konsum von Pornos erlaubt ist.
In dem Fall "Redtube" geht es um Pornovideos, die (angeblich) illegal auf der Streaming-Plattform redtube.com verbreitet werden. Zahlreiche Aspekte und Randaspekte der "Abmahnwelle" werden an vielerlei Orten diskutiert. Die Kernfrage gerät dabei leicht in Vergessenheit:
Muss sich der Nutzer einer Streaming-Plattform darüber Gedanken machen, ob ein Video legal oder illegal auf die Plattform geladen wurde?
Die Antwort lautet "Nein". Die Abmahnungen aus Regensburg (vgl. "Zu Abmahnungen von Rechtsverletzungen durch Streaming", Pressemitteilung v. U + C Rechtsanwälte) sind haltlos und finden im geltenden Urheberrecht keine Stütze. Empörend, dass sich Anwaltskollegen vor den Karren fragwürdiger Auftraggeber spannen lassen (vgl. etwa The Archive AG, Zürich) und - hart am Rand der strafrechtlichen Relevanz - Ansprüche geltend machen, die nicht bestehen.
Konsum von Streaming-Inhalten legal
Das Anschauen eines illegal ins Netz gestellten Videos ist genauso wenig verboten wie die intensive Lektüre eines raubkopierten Buchs. Ob Film, Foto oder Text:
Der Konsum eines urheberrechtlich geschützten Werks ist keine Nutzungshandlung und daher vom Urheberrecht nicht erfasst.
Der Rechteinhaber hat keine Handhabe gegen den (reinen) Konsumenten eines Werks.
Urheberrechtliche Verbote
Verbote treten auf den Plan, sobald es zu einer Verbreitung des Werks und/oder zu Kopiervorgängen kommt. Upload und Download von Musikstücken, Filmen und Fotos sind urheberrechtlich als Nutzungshandlungen anzusehen, die die Tatbestände der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG) bzw. der Vervielfältigung (§ 16 UrhG) erfüllen und daher grundsätzlich der Zustimmung des Rechteinhabers bedürfen.
Besonderheit bei Streaming
Beim Streaming von Filmen und Musik kommt es zu einer Vervielfältigung, die jedoch - anders als beim Download - nicht dauerhaft ist, sondern nur vorübergehend, und ausschließlich dazu dient, das (erlaubte) Anhören des Musikstücks bzw. das Anschauen des Films zu ermöglichen. Für eine derartige Vervielfältigung ergibt sich aus § 44 a Nr. 2 UrhG (in Verbindung mit Erwägungsgrund 33 der RL 2001/29/EG) , dass es keiner Zustimmung des Rechteinhabers bedarf:
"Zulässig sind vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, ...
- 2. eine rechtmäßige Nutzung
eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben." [§ 44 a Nr. 2 UrhG (Hervorhebungen hinzugefügt)]
Eine Nutzung ist nach Erwägungsgrund 33 der RL 2001/29/EG rechtmäßig,
"soweit sie vom Rechtsinhaber zugelassen bzw. nicht durch Gesetz beschränkt ist." [Erwägungsgrund 33 der RL 2001/29/EG, Amtsblatt der EG, L 167/12 und 13]
"Nicht durch Gesetz beschränkt" und somit rechtmäßig ist die Nutzung, wenn sie sich in dem Konsum des Werks (Anhören von Musik; Ansehen eines Films) erschöpft.
Auslegungsansatz des EuGH
Man mag jetzt einwenden, dass die Auslegung des § 44 a Nr. 2 UrhG streitig ist und es Stimmen gibt bzw. gegeben hat, die eine engere Auslegung befürworten. Der EuGH hat jedoch eine enge Auslegung abgelehnt und vor gut zwei Jahren in seiner Entscheidung Football Association Premier League/Murphy, Urt. v. 4.10.2011 – Rs. C-403/08 und C-429/08, C-403/08, C-429/08, CR 2012, 36 (44) Rz. 171 f. (dazu ausführlich Hoeren/Bilek, CR 2011, 735) Folgendes zu Erwägungsgrund 33 und zu Kopiervorgängen ausgeführt, die ausschließlich dem Empfang von Fernsehsehsendungen dienen:
"Der bloße Empfang dieser Sendungen als solcher, also die Erfassung ihres Signals und ihre visuelle Darstellung im privaten Kreis, stellt aber keine durch die Regelung der Union oder die des Vereinigten Königreichs beschränkte Handlung dar ...; diese Handlung ist demzufolge rechtmäßig...
Es ist daher festzustellen, dass es alleiniger Zweck dieser Vervielfältigungshandlungen ist, eine „rechtmäßige Nutzung“ der Werke im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie zu ermöglichen." [Football Association Premier League/Murphy, Urt. v. 4.10.2011 – Rs. C-403/08 und C-429/08, C-403/08, C-429/08, CR 2012, 36 (44) Rz. 171 f. (Hervorhebungen hinzugefügt)]
Fazit
Für das Streaming kann nichts anderes gelten als für den Empfang von Fernsehsendungen. Die Begründung lässt sich zwanglos auf das Streaming übertragen (Stieper, MMR 2012, 12 (15)).
Der YouTube-Nutzer muss sich über Urheberrechte ebenso wenig Gedanken machen wie der Fernsehzuschauer. Und zwischen Pornos, Musikvideos und Fußballsendungen unterscheidet § 44 a UrhG nicht.