17.02.2016

Acht Thesen zum "Dateneigentum"

Portrait von Niko Härting
Niko Härting

Wem gehören die "Maschinendaten"? Kaum ein anderes Thema wird derzeit so engagiert diskutiert wie das "Dateneigentum". Zeit für einige Thesen:

These 1:   Das "Dateneigentum" ist ein alter Hut.

Seit es ein Softwarerecht gibt, wurde diskutiert, ob Software eine Sache ist (§ 90 BGB). Der BGH hat Software vertragsrechtlich stets wie eine Sache behandelt. Und dass der Eigentümer eines Datenträgers zugleich Eigentümer der Daten ist, die sich auf dem Datenträger befinden, ist unbestritten und wohl auch unbestreitbar. Die Daten auf der Festplatte meines Computers gehören selbstverständlich mir. Dies unabhängig davon, ob und inwieweit es sich um personenbezogene Daten oder um „Maschinendaten“ handelt.

These 2:   „Sachdaten“ und „Maschinendaten“ ohne Personenbezug sind eine aussterbende Spezies.

Im herkömmlichen Datenschutzrecht gab es die Kategorie der „Sachdaten“. Das „Sachdatum“ war der Gegenbegriff zum „personenbezogenen Datum“. Wenn sich eine Information auf eine Sache (und nicht auf eine Person) bezog, bewegte man sich außerhalb des Datenschutzrechts. Das klassische Beispiel eines Sachdatums waren Informationen, die sich auf ein Gebäude bezogen – das Baujahr, die Adresse, Angaben über den Gebäudezustand.

Spätestens seit den Diskussionen um „Google Street View“ wissen wir, dass diese Sichtweise obsolet ist. Denn die Gebäudedaten lassen sich mit Informationen über die Eigentümer, Bewohner und Besucher verknüpfen und erlangen auf diese Weise Personenbezug. Der lange Arm des Datenschutzrechts hat sich in den letzten Jahren die früheren „Sachdaten“ nach und nach einverleibt.

Kraftfahrzeuge, Industrieanlagen und Kühlschränke produzieren Daten, die man in jüngerer Zeit gerne als „Maschinendaten“ bezeichnet. Auch „Maschinendaten“ lassen sich ohne weiteres mit Personen in Verbindung bringen. Sie geben Aufschluss über die Essgewohnheiten des Kühlschrankbesitzers, das Fahrverhalten des Autobesitzers und das Bedienverhalten des Anlagennutzers. „Maschinendaten“ lassen sich daher keineswegs aus dem Datenschutzrecht ausgrenzen. Es handelt sich um keine rechtlich fassbare Datenkategorie.

These 3:   Bei der Diskussion um das „Eigentum“ an „Maschinendaten“ geht es nicht um Daten, sondern um Nutzungsrechte an Informationen.

Die Daten, die in einem Fahrzeug gespeichert sind, gehören selbstverständlich dem Eigentümer des Fahrzeugs. Und das Unternehmen, das eine Fertigungsanlage betreibt, ist ebenso selbstverständlich Eigentümer aller Daten, die auf Rechnern und „Maschinen“ gespeichert sind, die sich in der Fertigungsanlage befinden.

Smart Cars, Smart Meters, Smart Factories, Industrie 4.0: Die zunehmende Vernetzung bringt es mit sich, dass „Maschinendaten“ nicht auf den jeweiligen Maschinen bleiben, sondern an andere „Maschinen“ und Rechner übermittelt werden. Fahrzeugdaten werden beispielsweise an Werkstätten übermittelt oder an eine Logistikzentrale oder einen Drittanbieter zur Auswertung für Stauwarnungen. Mit der Auswertung der Daten durch Werkstätten, Logistikzentralen und Drittanbieter ist eine Wertschöpfung verbunden, sodass sich die Frage stellt, wer an dieser Wertschöpfung partizipieren darf. Die Daten sind bei dieser Wertschöpfung lediglich Mittel zum Zweck. Es geht um Informationen, die sich aus den Daten gewinnen lassen, und es geht um Nutzungsrechte an Informationen.

These 4:   Nutzungsrechte an Informationen sind keineswegs Neuland.

Seit jeher gibt es Ausschließlichkeitsrechte an Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 17 UWG). Auch bei der Einräumung von urheberrechtlichen  Nutzungsrechten (§ 31 UrhG) kann es mittelbar um die Nutzung von Informationen gehen. Und seit der „Herrenreiter“-Entscheidung des BGH lassen sich auch aus dem Persönlichkeitsrecht Nutzungsrechte ableiten, die einer wirtschaftlichen Verwertung zugänglich sind.

These 5:   In einer offenen Gesellschaft hat die Informationsfreiheit einen hohen Stellenwert (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).

Ausschließlichkeitsrechte an Informationen müssen daher eine Ausnahme bleiben. Im Urheberrecht legitimiert sich das Ausschließlichkeitsrecht aus der schöpferischen Leistung, die sich in einem geschützten Werk verkörpert. Beim Betriebs- und Geschäftsgeheimnis wird die Einschränkung der Informationsfreiheit durch den Schutz der unternehmerischen Leistung legitimiert, der zu dem geschützten Knowhow geführt hat. Beim Persönlichkeitsrecht ergibt sich die Legitimation von Ausschließlichkeitsrechten aus dem wirtschaftlichen Aufwand, der mit der „Vermarktung“ einer Person verbunden ist. Fußballspieler, Fernsehköchinnen und Dschungelcamp-„Promis“ haben durch eine geschickte Selbstvermarktung einen Wert geschaffen, der Ausschließlichkeitsrechte an Informationen rechtfertigen kann.

These 6:   Das Datenschutzrecht ist ungeeignet, um Ausschließlichkeitsrechte an Informationen zu begründen.

Das BVerfG betont zu Recht, dass es sich bei dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht um ein „eigentumsähnliches Recht“ handelt. Ausschließlichkeitsrechte kann es an personenbezogenen Daten nicht geben, da Daten stets auch ein „Abbild sozialer Realität“ sind und somit in einem Spannungsfeld zwischen den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen und den Informationsrechten Dritter stehen.

These 7:   Das Datenschutzrecht ist reines Verbotsrecht.

Das Datenschutzrecht kann Befugnisse des "Eigentümers" von Daten und Informationen einschränken. Zur Begründung von Ausschließlichkeitsrechten eignet sich das Datenschutzrecht dagegen nicht, es fehlt an jedwedem positiven Zuweisungsgehalt. Als Abwehrrecht ist das Datenschutzrecht zur Begründung eines Zuweisungsgehalts auch völlig ungeeignet. Datenschutzrecht heißt stets auch Schutz der Person gegen sich selbst. Dies zeigt sich daran, dass wir Minderjährigen, Arbeitnehmern und Verbrauchern nicht grenzenlos die Disposition über „ihre Daten“ erlauben.

Die Zuweisung von Nutzungsrechten ist zudem stets mit einem Vermarktungsrecht verbunden. Wer über urheberrechtliche Nutzungsrechte, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder eine „Personenmarke“ verfügt, kann hieraus wirtschaftlichen Nutzen ziehen.

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These 8:   Würde man das Datenschutzrecht umgestalten zu einem „Nutzungsrecht an meinen Daten“, würde das Datenschutzrecht zu einem „Recht der Besserverdiener“.

Wer es sich leisten kann, lebt diskret und verzichtet auf den Verkauf von Informationen an Behörden und Unternehmen, an Versicherungen und Internetplattformen. Wer mit bescheidenem Einkommen lebt, wird dagegen seine Privatsphäre öffnen, um sich das Leben durch einen kleinen Zusatzverdienst zu erleichtern. Dies kann niemand ernsthaft wollen.

 

 

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