18.05.2022

Aufstieg und Fall der NFT – Unkenntnis und Hype als Brandbeschleuniger eines Strohfeuers

Portrait von Dr. Stefan Papastefanou
Dr. Stefan Papastefanou Rechtsanwalt, White & Case LLP, Hamburg; Lehrbeauftragter und Dozent Bucerius Law School, Center for Transnational IP, Media and Technology Law and Policy, Hamburg

Langsam, langsam lichtet sich der Nebel um die rechtliche Bedeutungslosigkeit des NFT-Markts. Der Handel mit NFT ist von seinem Höchststand im September 2021 um 92% auf den aktuellen Stand Anfang Mai 2022 gefallen. Wurden damals noch 225.000 NFT pro Woche verkauft, sind es mittlerweile nur noch 19.000. Auch die Anzahl der aktiven NFT-Wallets sind um 88% geschrumpft. Zur größten Auslastung gab es mehr als 119.000 aktive Wallets; nach nicht mal einem Jahr sind nur noch 14.000 zum aktuellen Zeitpunkt aktiv (Vigna, "NFT Sales Are Flatlining", The Wall Street Journal v. 3.5.2022).

Krypto-Anhänger verweisen an dieser Stelle regelmäßig vorwurfsvoll auf den durch die veränderte Zinspolitik der US-amerikanischen Zentralbank herbeigeführten Rückgang von Risikogeschäften damit verbundenen Fall von Kryptowährungen am Finanzmarkt – der Handel mit NFT gehört immerhin zu den spekulativsten Geschäften. Allerdings ist auch ein Rückgang des allgemeinen Interesses an NFT zu beobachten: So sind nach Google Trends die Suchanfragen für NFT von einem Höchststand im Januar 2022 im Vergleich zum Stand Anfang Mai 2022 um etwa 70% gefallen.

1. Gebrochene Versprechen: Technische Grenzen der NFT   

Mittlerweile wird jedoch in immer größeren Umfang bekannt, dass die versprochene Revolution nur den Bereich der Kriminalität betrifft und die NFT technisch gar nicht in der Lage sind, eine eindeutige Zuordnung zu einem Kunstwerk zu schaffen (Mit weiteren Einzelheiten zu den technischen Grenzen der NFT und auch dem beschränkten Anwendungsbereich von Hashwerten s. Papastefanou, CR 2022, 342 (345 Rz. 16 ff.).

Den Hype ausgelöst haben neben dem Ausblick auf schnelles Geld und hohe Renditen zahlreiche Versprechen zur Revolutionierung des digitalen Kunstmarktes, wovon gerade kleinere Künstler profitieren und sich unabhängig von großen Galerien eine wirtschaftliche Existenz schaffen sollten. Wie üblich bei einer Goldgräber-Stimmung und großen Versprechungen wurde beim Einstieg in den Markt mindestens ein Auge zugedrückt und die technischen Grundlagen der NFT nicht näher betrachtet.

Es mehren sich passenderweise die Beiträge, in denen die NFT in ein kritischeres Licht gerückt werden. Nicht zuletzt kann in der aktuellen Ausgabe der „Datenschleuder“ (= Mitgliedermagazin des Chaos Computer Clubs) ein Beitrag mit dem Titel „NFT: Crypto, Umwelt, Scams & Co“ (Ausgabe #105 des Magazins) gefunden werden, der eindrucksvoll und prägnant auf die zahlreichen aktuellen Probleme der NFT-Welt aufmerksam macht.

2. Übersteigerte Bedeutung: Rechtliche Konsequenzen von NFT-Missbrauch 

Neben dem einfachen Betrug unter der Ausnutzung der Leichtgläubigkeit und technischen Lücken im NFT-Bereich hat sich auch ein eigener Markt von NFT entwickelt, die Urheberrechte Dritter benutzen, um den Vertrieb von NFT zu bewerben. Hier werden häufig aus juristischer Literatur Rufe nach urheberrechtlichem Schutz laut, um dem Künstler seinen Anteil am NFT-Markt zu sichern. Denn immerhin bieten NFT vermeintlich eine erhebliche Kommerzialisierung von digitaler Kunst, dass man zu dem einfachen Schluss kommen könnte, dieser Kommerzialisierungserfolg gebühre dem Urheber selbst. Daher werden häufig Verletzungen des Rechts der Vervielfältigung nach § 17 UrhG und der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG diskutiert.

Allerdings ist auch dieser Markt mit scheinbaren Urheberrechtsverletzungen maßgeblich durch das technische Missverständnis der NFT durchsetzt. Die tatsächliche und rechtliche Unabhängigkeit von NFT und Kunstwerk führt regelmäßig dazu, dass die eigentliche NFT-Transaktion keinen Bezug zum Urheberrecht aufweist und damit auch keine Urheberrechtsverletzung auslöst. Mit weiteren Ausführungen auch hier: Papastefanou, CR 2022, 342 (346 Rz. 28 ff.)

3. Zukunft des NFT?   

Diese Entwicklung zeigt eindrucksvoll, wie langsam sich der Nebel um die rechtliche Bedeutungslosigkeit des aktuellen NFT-Marktes lichtet. Es stellt sich nun vielmehr die Frage, wie lange es noch dauert, bis auch die Erkenntnis eintritt, dass die beschriebenen „utility-focused“ NFT seit langem bekannte Geschäftsmodelle und Verträge darstellen, für die schon grundsätzlich keine NFT benötigt werden.

Zack Friedman, Mitgründer und CEO von Secure Digital Markets, hat auch hierfür eine Antwort parat. Es sollen solche Token erhalten bleiben, mit „some perk or utility attached to them” (Vigna, "NFT Sales Are Flatlining", The Wall Street Journal v. 3.5.2022). Als Orientierung scheint hier wohl das bekannteste NFT-Modell „Bored Apes Yacht Club“ gedient zu haben, bei denen mit dem Erwerb der NFT auch ein Zugang zu einem virtuellen Clubhouse einhergeht.

Andere Künstler haben ebenfalls diesen „utility-approach“ gewählt. So möchte Regisseur Kevin Smith etwa für seinen Film “Killroy Was Here” 5,555 NFT ("Only 5555 Legendao NFT Collectors Get Rights To See Kevin Smith’s New Horror Flick", legendao v. 7.4.2022) verkaufen. Nur diese Inhaber der NFT sollen Zugriff auf den Film haben. Auch die Band The Crystal Method verkauft NFT, die mit einem Backstage-Zutritt sowie einem Abendessen mit der Band kombiniert sind.

Es stellt sich also die Frage, wie es für NFT mit steigendem technischen Bewusstsein und sinkender Teilnehmerzahl in der Zukunft weitergehen kann.

Ein grundsätzliches Problem des NFT-Markts scheint zu sein, dass sich das Ganze durch ein Übergewicht von Angebot über Nachfrage auszeichnet. So ergab eine Analyse von Chainalysis, dass es für die insgesamt 9.2 Millionen verkauften NFT etwa 1.8 Millionen Käufer gab. Mithin kommen auf einen Käufer fünf NFT (Chainalysis, "NFT Transaction Activity Stabilizing in 2022 After Explosive Growth in 2021", 5.5.2022).

Man könnte vermuten, dass sich der Markt nur solange weiterentwickeln konnte, wie neue Käufer in den Markt mit frischem Kapital einstiegen, um für andere, ältere Nutzer durch Käufe ausreichend „exit liquidity“ zu generieren. Dieses Konzept ist bereits aus anderen „Geschäftsmodellen“ bekannt und tragen häufig Bezeichnungen wie „Ponzi scheme“ oder „pyramid scheme“.

 

 

 

 

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