Beispiel Veranstaltungsfotos: Warum es nach der DSGVO oft sinnvoll ist, auf Einwilligungen zu verzichten
Entgegen landläufigen Vorstellungen setzt die DSGVO keineswegs auf die Einwilligung. Ganz im Gegenteil werden Einwilligungen durch die DSGVO erschwert und Organisationen ermutigt, Datenverarbeitungsprozesse auf andere Grundlagen – insbesondere Vertragserfüllung und berechtigte Interessen – zu stützen. Dass man auf diese Weise bisweilen zu ganz passablen Lösungen gelangen kann, zeigt sich am Beispiel von Veranstaltungsfotos.
Beispiel Ehrenamtskongress
Ein beliebiges Beispiel aus Franken: Die Technische Hochschule Nürnberg lädt zum „Ehrenamtskongress 2018“ ein. Wie viele andere Veranstalter, möchte die Hochschule über den Kongress mit Fotos und Videos berichten. Auf dem Anmeldeformular (https://ehrenamtskongress.de/footer/teilnahmebedingungen/) findet sich daher folgender Satz:
„Mit der Anmeldung wird dem Veranstalter die Erlaubnis erteilt, während der Tagung Foto- und Filmaufnahmen zu machen und diese Aufnahmen im Zusammenhang mit der Veranstaltung für die Öffentlichkeitsarbeit und die Dokumentation, analog und digital, zu verwenden.“
Rechtlich ist dies eine Einwilligung nach § 22 Kunsturhebergesetz (KUG). Eine solche Einwilligung ist nach (noch) geltendem Recht erforderlich, um Fotos in gedruckten Broschüren und Berichten zu verbreiten und um Videos und Fotos online zu veröffentlichen.
§ 22 KUG: Widerruf nur aus wichtigem Grund
Für die Einwilligung nach § 22 KUG galten keine Förmlichkeiten. Eine stillschweigende Einwilligung reichte aus. Wer auf einer Vernissage in die Kamera eines Pressfotografen lächelte, konnte später nicht sagen, er sei mit der Veröffentlichung des Fotos nicht einverstanden. Und eine Einwilligungserklärung konnte ohne weiteres auch in die Anmeldung zu einer Veranstaltung aufgenommen werden. Dies war in den letzten Jahren bei vielen Veranstaltungen gängige Praxis.
Immer wieder gab es Fälle, in denen es sich Gäste im Nachhinein anders überlegten und baten, von einer Veröffentlichung von Fotos Abstand zu nehmen. Dann stellte sich die Frage nach der Widerruflichkeit der Einwilligung. Zum Widerruf gab es im KUG keine gesetzliche Regelung. Einigkeit herrschte jedoch darüber, dass es jedenfalls eines wichtigen Grundes bedurfte.
Art. 7 Abs. 3 DSGVO: freies Widerrufsrecht
Die DSGVO gibt Anlass zum Umdenken. Nach den Gegebenheiten der Digitalfotografie sind Personenfotos zugleich personenbezogene Daten, deren Verarbeitung einer Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO bedarf. Ob und inwieweit daneben das KUG überhaupt noch anwendbar ist, ist sehr umstritten.
Für Einwilligungen gilt nach Art. 7 Abs. 3 DSGVO ein freies, jederzeitiges Widerrufsrecht. Da sich das KUG zu einem Widerrufsrecht nicht verhält, lässt sich in Zukunft kaum noch begründen, weshalb es beim Widerruf von Foto-Einwilligungen eines wichtigen Grundes bedürfen soll. Die Veranstalter des Ehrenamtskongresses müssen daher befürchten, dass sich Gäste der Veranstaltung melden und ihre Einwilligung zurückziehen. Im schlimmsten Fall kann dies bedeuten, dass Broschüren mit den gedruckten Fotos geschwärzt oder eingestampft werden müssen.
Berechtigte Interessen: die Alternative zur Einwilligung
Die Einwilligung ist nach der DSGVO keineswegs alternativlos. Sie ist eine von sechs möglichen Grundlagen der rechtmäßigen Datenverarbeitung. Dies gilt für Personenfotos genauso wie für andere Personendaten. In Betracht kommt daher eine Anfertigung und Veröffentlichung von Veranstaltungsfotos und –videos aufgrund „berechtigter Interessen“ (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO). Das legitime Interesse des Veranstalters eines „Ehrenamtstages“ an einer bebilderten Berichterstattung wird man nicht ernsthaft in Frage stellen können. Wer zudem zu einer solchen Veranstaltung geht, zeigt sein Gesicht im öffentlichen Raum. Mit der Anfertigung von Fotos und deren Verbreitung in der Öffentlichkeit ist kein schwerer Eingriff in Individualrechte verbunden, sodass die Interessenabwägung zugunsten des Veranstalters ausfällt.
Art. 21 DSGVO: das Widerspruchsrecht in "besonderen Situationen"
Gelegentlich gibt es gute Gründe, weshalb ein Veranstaltungsgast nicht online oder in gedruckten Materialien erkannt werden möchte. Dann kann er sich auf eine „besondere Situation“ nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO berufen und eine Veröffentlichung verhindern. Im Ergebnis gelangt man somit zu einem Rechtsbefund, der der bisherigen Rechtslage erstaunlich nahe kommt. Statt eines „wichtigen Grundes“ braucht man für ein Foto-Veto jetzt eine „besondere Situation“.
"Fotohinweise": DSGVO-Informationspflichten nicht vergessen
Ob Einwilligung oder „berechtigte Interessen“: Jeder Veranstalter braucht ausführliche „Fotohinweise“, um seinen Informationspflichten nach Art. 13 und 14 DSGVO zu genügen. Die Zwecke, zu denen die Fotos angefertigt werden, die Empfänger und die Speicherdauer sind genau anzugeben, und der Veranstaltungsgast ist ausführlich über seine DSGVO-Betroffenenrechte zu unterrichten.
Meine Empfehlung an Veranstalter
Veranstaltern ist in Zukunft zu empfehlen, Fotos und Videos nicht mehr auf der Basis von Einwilligungen anzufertigen und zu veröffentlichen und sich stattdessen auf „berechtigte Interessen“ zu stützen. In ausführlichen „Fotohinweisen“ sollte den Gästen erklärt werden, zu welchen Zwecken fotografiert wird. Die „Fotohinweise“ sollten schon bei der Anmeldung zu einer Veranstaltung abrufbar sein bzw. übergeben werden.
Warum eine Einwilligung schaden kann
Bleibt die Frage, ob es denn schadet, vorsorglich doch auch eine Einwilligung einzuholen. Ich meine ja und empfehle, auf Einwilligungen vollständig zu verzichten. Denn die Datenschutzbehörden vertreten ganz überwiegend die (allerdings sehr umstrittene) Auffassung, dass sich ein Datenverarbeiter auf die Einwilligung festlegt, wenn er eine solche verlangt. Stimmt ein Gast der Anfertigung von Fotos zu und überlegt es sich im Nachhinein anders, werden die Aufsichtsbehörden dies als wirksamen Widerruf ansehen und die Auffassung vertreten, dass sich der Veranstalter jetzt nicht mehr auf „berechtigte Interessen“ berufen kann. Die Einwilligung erwiese sich als „Eigentor“ und würde zu Ärger und Auseinandersetzungen führen, die sich nur durch einen Verzicht auf standardmäßige Einwilligungen vermeiden lassen.