28.03.2017

BMJV verschärft Hatespeech-Entwurf - Angriff auf die Kommunikationsfreiheit im Netz

Portrait von Niko Härting
Niko Härting

Kauz zu glauben, aber wahr: Das BMJV hat den Referentenentwurf für ein "Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)" noch einmal verschärft und die verschärfte Fassung der Europäischen Kommission zur Notifizierung übersandt (NetzDG, Notifizierungs-Nr. 2017/127/D (Deutschland), Eingangsdatum: 27.3.2017):

  • Die Liste der Straftatbestände (§ 1 Abs. 3 NetzDG-E), für die eine Löschpflicht gelten soll, wurde erheblich erweitert: - Zum einen soll die Löschpflicht jetzt auch für pornografische Inhalte gelten. - Zum anderen wurden zusätzliche Tatbestände des Staatsschutzes aufgenommen, beispielsweise die "Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen (§ 90 b StGB)".
  • Gestrichen wurde die in dem Vorentwurf vorgesehene Verpflichtung der Provider zu "wirksamen Maßnahmen gegen die erneute Speicherung des rechtswidrigen Inhalts" (§ 3 Abs. 2 Nr. 7 NetzDG-E). Die Verpflichtung zur Speicherung der rechtswidrigen Inhalte "zu Beweiszwecken" wurde zugleich auf zehn Wochen begrenzt (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 NetzDG-E).
  • Geplant ist eine Ergänzung des § 14 Abs. 2 TMG: Provider sollen in Zukunft befugt sein, Auskünfte über Bestandsdaten zu erteilen, wenn es um die Durchsetzung "absolut geschützter Rechte" geht. Das BMJV meint ausweislich der Entwurfsbegründung, hierdurch einen umfassenden Anspruch auf Auskunft über den "Klarnamen" eines Internetnutzers zu schaffen. Dies wäre nicht weniger als das Ende der Anonymität im Netz, wenn es um Meinungsäußerungen geht.

Besonders bemerkenswert ist die Begründung der geplanten Änderung des § 14 Abs. 2 TMG:

Dort heißt es, man nehme lediglich die Rechtslage vorweg, die sich aus § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG-E ergebe. Danach soll eine Datenverarbeitung durch nicht-öffentliche Stellen zulässig sein, wenn

"sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist".

Der unbefangene Leser würde diese Regelung so verstehen, dass damit eine Datenverarbeitung zur Verfolgung eigener Ansprüche des Datenverarbeiters gemeint ist, vielleicht auch noch eine Datenverarbeitung, die  ein Anwalt oder eine andere Person vornimmt, die mit der Rechtsverfolgung beauftragt ist.

Das BMJV möchte diese Vorschrift aber exzessiv auslegen. Wenn ein Politiker sich demnächst durch einen Tweet in ein schlechtes Recht gerückt fühlt, soll Twitter nach der Lesart des BMJV dem Politiker die ladungsfähige Anschrift des Twitter-Nutzers offenbaren dürfen, um dem Politiker die Rechtsverfolgung zu ermöglichen. Niemand könnte dann mehr sicher davor sein, dass anonyme Äußerungen im Netz auch tatsächlich anonym bleiben. Ein offenbar gewollter Einschüchterungseffekt, der die Kommunikationsfreiheit im Netz massiv in Frage stellen würde.

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