Cloud-Switching nach Data Act: Der Vorhang fällt, die Fragen offen!
Nach der politischen Einigung der EU-Institutionen im Juni über das Datengesetz (sog. Data Act) hat das Europäische Parlament am 9. November 2023 den Data Act angenommen. Nun muss nur noch der Rat zustimmen. Die konsolidierte Fassung v. 9.11.2023 liegt hier zugrunde und ist in deutscher Sprache abrufbar unter: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0385_DE.pdf
Insbesondere die neue Missbrauchskontrolle (Art. 13 Data Act-E; ausführlich dazu Wiebe, CR 12/2023, 777 ff.) und neuen IoT-Datenbereitstellungspflichten (Kapitel I. bis V. des Data Act-E; ausführlich dazu in CR 1/2024) haben umfangreiche Diskussionen ausgelöst.
Um die neuen Vorschriften zum „Cloud-Switching“ (Kapitel VI. des Data Act-E, Artt. 23 ff.), die auch enorme Auswirkungen auf Anbieter von Datenverarbeitungsdiensten haben werden, blieb es dagegen eher ruhig; detaillierte und vertiefte Auseinandersetzungen mit den neuen Vorschriften zum „Cloud-Switching“ sind rar bzw. nicht (öffentlich) verfügbar; und das, obwohl die Artt. 23 ff. Data Act-E in der konsolidierten Fassung v. 9.11.2023 für die Rechtsanwender mindestens folgende Fragen in dogmatischer Hinsicht aufwerfen:
1. Verlangen statt Kündigung: Die Vorschriften zum „Cloud-Switching“ (Art. 23 ff. Data Act-E) setzen keine Kündigung des Kunden mehr voraus, um den Wechselprozess einzuleiten. Es bedarf vielmehr nur noch ein (vertraglich festzulegendes) Verlangen des Kunden zu wechseln, vgl. Art. 25 Abs. 2 a) Data Act-E:
„Klauseln, die es dem Kunden ermöglichen, auf Verlangen zu einem Datenverarbeitungsdienst zu wechseln, der von einem anderen Anbieter von Datenverarbeitungsdiensten angeboten wird, oder alle […]“
2. Vertragsende: Art. 25 Abs. 2 c) Data Act-E sind vertragliche Klauseln festzulegen, dass erst ein erfolgreicher Wechsel zur Beendigung des Vertrages kraft Gesetzes führt.
3. Verhältnis zu vertraglichen Kündigungsrechten? Mit Blick auf die beiden vorstehenden Feststellungen ist ungeklärt, in welchem rechtlichen Verhältnis das „Wechselverlangen des Kunden“ und die Beendigung des Vertrages kraft Gesetzes zu einem etwaigen (auch) im Vertrag vorgesehenen Kündigungsrecht für diesen Fall stehen. Hat das zur Folge, dass ein im Vertrag vorgesehenes Kündigungsrecht damit unwirksam ist bzw. ein Wechsel („Cloud-Switching“) nicht mehr im Wege eines Kündigungsrechts in einen Vertrag Eingang finden kann? Was ist, wenn der Kunde aufgrund seines Wechselwunsches kündigt und nicht „nur“ ein „Wechselverlangen“ äußert?
4. Kündigungsrecht des Kunden: Wenn lediglich ein vertraglich vereinbartes Wechselverlangen zu einer Beendigung des Vertrages kraft Gesetzes (etwa nach erfolgreichem Wechsel) führen soll, ist nicht nachvollziehbar, weshalb Art. 23 a) Data Act-E ausdrücklich klarstellt, dass der Kunde durch die genannten Hindernisse nicht daran gehindert werden darf, zu kündigen.
5. Erfolgreicher Wechsel? Wenn ein erfolgreiches Switching zur Beendigung des Vertrags kraft Gesetzes führen kann, geht hiermit einher, dass der Zeitpunkt für das Vertragsende unklar ist:
- Kriterien: Woran bemisst sich das erfolgreiche Switching?
- Zeitpunkt: Was ist, wenn noch ein Datensatz nicht portiert wurde, man das aber vielleicht erst später feststellt?
6. Fristbeginn: Fängt die “maximum notice period for initiation of the switching process”/ „maximale Kündigungsfrist für die Einleitung des Wechsels“ (höchstens 2 Monate gem. Art. 25 Abs. 2 d) Data Act-E) mit dem Verlangen des Kunden zu wechseln (siehe 1. oben) an zu laufen? Kann das „Wechselverlangen“ im Vertrag an die Einhaltung einer bestimmten Form (etwa Textform) geknüpft werden?
7. Vertragliche Form: 25 Abs. 1 Data Act-E verlangt: „Die Rechte des Kunden und die Pflichten des Anbieters von Datenverarbeitungsdiensten in Bezug auf den Wechsel zwischen Anbietern solcher Dienste oder gegebenenfalls zu einer IKT-Infrastruktur in eigenen Räumlichkeiten werden eindeutig in einem schriftlichen Vertrag festgelegt." [Hervorhebung hinzugefügt]
Meint “eindeutig in einem schriftlichen Vertrag festgelegt” (auch) „Textform“, also auch elektronische Form?
Hierfür mag Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Data Act-E sprechen. Dies erscheint indes nicht zwingend, weil die (elektronische) Bereitstellung ja gerade "vor der Vertragsunterzeichnung" gefordert wird, was nicht ausschließt, dass das dann zu unterzeichnende Exemplar Schriftform haben muss.
Kann hier evtl. Art. 28 Abs. 9 DSGVO herangezogen werden? Dort wird bestimmt, dass der Auftragsverarbeitungsvertrag schriftlich abzufassen ist; was aber auch in elektronischer Form erfolgen kann.
Fazit: Kommentare und Meinungen sind willkommen!