12.12.2020

Ein neuer Referentenentwurf des Telekommunikationsmodernisierungsgesetzes – Was gibt`s Neues im TK-Kundenschutz?

Portrait von Dr. Gerd Kiparski, MBA
Dr. Gerd Kiparski, MBA Rechtsanwalt

Der deutsche Gesetzgeber gibt vor Weihnachten noch einmal Vollgas. Referentenentwürfe für ein IT-Sicherheitsgesetz (dazu Schallbruch hier), für eine Umsetzung der Warenkaufrichtlinie, Umsetzung der Richtlinie für digitale Inhalte, Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie der Verbraucherrechterichtlinie, Änderungen des Wettbewerbsrechts zur Stärkung der Verbraucherrechte und zu guter letzt auch das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKModG-E).

Umsetzung des TK-Kodex

Wir erinnern uns:  Ende 2018 hat der europäische Richtliniengeber die Richtlinien über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (TK-Kodex) modernisiert und den Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation verabschiedet (hierzu: Kiparski, CR 2019, 179 - 188). Diesen müssen die Mitgliedsstaaten innerhalb von 2 Jahren, also bis zum 21.12.2020 in nationales Recht umsetzen.

Eckpunkte zur TKG-Novelle 2019

Bereits im Februar 2019 legten das Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) Eckpunkte zur TKG-Novelle 2019  vor. Dann geschah lange nichts. Im Juni 2020 wurde der Leak eines Referentenentwurfs veröffentlicht. Im August 2020 folgte dann der zweite Leak-Entwurf (hierzu Kiparski, "Kundenschutz im neuen TKG", CRonline Blog v. 23.8.2020).

Offizielle Entwürfe

Diskussionsentwurf:  Anfang November 2020 hat der Gesetzgeber erstmals einen Referentenentwurf zur Verbändeanhörung gestellt (ausführlich hierzu Kiparski, CR 2020, 818 - 827), den er aber nur als „Diskussionsentwurf“ betitelte, weil eine Ressortabstimmung in der Bundesregierung noch nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte. In der nur 2 wöchigen Anhörungsfrist für den über 400 Seiten starken Entwurf haben sich zahlreiche Verbände und Organisationen beteiligt.

Referentenentwurf:  Dann überraschte der Gesetzgeber schon am 9. Dezember 2020 mit einem weiteren, signifikant überarbeiteten Referentenentwurf, den er nun ganze 2 Tage zur Verbändeanhörung stellte, um ihn dann am 16. Dezember 2020 ins Bundeskabinett zu geben.

Zahlreiche Änderungen:

Dieser nun nochmals überarbeitete Referentenentwurf enthält zahlreiche Änderungen in den kundenschützenden Regelungen des TKG-E. Hier eine kurze Darstellung der wesentlichen Änderungen:

  • Vorvertragliche Informationen:

Die vorvertraglichen Informationen des § 53 TKG-E müssen dem Verbraucher nach § 52 Abs. 2 TKG-E nur noch auf einem leicht herunterladbaren Dokument zur Verfügung gestellt werden, wenn eine Übermittlung auf einem dauerhaften Datenträger nicht möglich sein sollte. Anbieter müssen in diesem Fall Verbraucher auf die Informationen und die Downloadmöglichkeit hinweisen.

Folge:  Dies ermöglicht es Anbietern nun, in Online-Vertrieb die Informationen in die Produktdarstellung als Downloadmöglichkeit aufzunehmen. Eine aufgrund der Frühphase der Vertragsanbahnung schwerlich mögliche Übermittlung von Informationen ist nicht erforderlich.

  • Vertragszusammenfassung:

Der Gesetzgeber hält daran fest, dass die Vertragszusammenfassung des § 52 Abs. 3 TKG-E dem Verbraucher kostenlos zur Verfügung gestellt werden muss, bevor dieser seine Vertragserklärung abgibt. Damit legt der Gesetzgeber für die Vertragszusammenfassung einen früheren Zeitpunkt fest, als es Art. 102 Abs. 3 TK-Kodex tut. Dieser regelt als Zeitpunkt der Bereitstellung „vor Vertragsschluss“ und damit einen späteren Zeitpunkt.

Folge:  Nunmehr müssen die Informationen dem Verbraucher nicht vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden. In der Gesetzesbegründung führt der Gesetzgeber aus, dass bei elektronisch geschlossenen Fernabsatzverträgen die Vertragszusammenfassung dem Verbraucher als herunterladbares Dokument zur Verfügung gestellt werden muss. Dies ermöglicht es, die Vertragszusammenfassung in die Bestellzusammenfassung als Download-Dokument mit aufzunehmen. Eine schwerlich mögliche Übermittlung an den Verbraucher ist nicht mehr nötig.

Kritik:  Dennoch ergeben sich zahlreiche Doppelungen in der Informationsbereitstellung zwischen den vorvertraglichen Informationen des § 52 Abs. 2 TKG-E und denen der Vertragszusammenfassung nach § 52 Abs. 3 TKG-E. Die Informationen nach beiden Normen müssen dem Verbraucher zum selben Zeitpunkt, nämlich vor dessen Angebotsabgabe zur Verfügung gestellt werden und enthalten weitgehende inhaltliche Überschneidungen.

  • Vertragslaufzeit:

Signifikante Änderungen hat es bei den Regelungen zur Vertragslaufzeit in § 54 TKG-E gegeben. 24-Monats-Verträge bleiben weiterhin möglich. Zu jedem 24-Monats-Vertrag muss aber auch ein Vertrag mit 12 Monaten Laufzeit über dieselbe Telekommunikationsdienstleistung angeboten werden. Dies versteht der Gesetzgeber so, dass die Telekommunikationsdienstleistung, also der DSL- oder Mobilfunktarif auch mit 12 Monaten Laufzeit erhältlich sein muss, nicht hingegen ein Bundle-Tarif mit Hardware. Das neuste Smartphone darf also weiterhin nur mit einem 24-Monats-Tarif kombiniert werden, so lange der reine Mobilfunktarif ohne Smartphone auch zu 12 Monaten erhältlich ist.

Folge:  Wichtig ist aber, dass der Anbieter dem Verbraucher vor Abschluss eines 24-Monats-Tarifs unaufgefordert den entsprechenden 12-Monats-Tarif anbieten muss. Anderenfalls ist der 24-Monats-Vertrag nach § 54 Abs. 1 TKG-E unwirksam. Diese harte Rechtsfolge, die der Gesetzgeber an das Nichtanbieten eines 12-Monats-Vertrages knüpft, ist wenig verständlich. Die Einhaltung derartiger Vorgaben wird auch bei anderen Regelungen über das UWG sichergestellt und bedarf einer solch drastischen Rechtsfolge nicht.

Max. Preis-Unterschied:  Neu aufgenommen hat der Gesetzgeber in den jüngsten Referentenentwurf auch das Erfordernis, dass der entsprechende 12-Monats-Tarif nicht mehr als 25 % im Monatsdurchschnitt teurer sein darf als sein 24-Monats-Pendant.

Zugang zu Kunden-E-Mails:  Ebenfalls neu in § 54 Abs. 5 TKG-E wurde für Internetzugangsanbieter, die ihren Kunden zugleich unter ihrer Domain auch eine E-Mail-Adresse anbieten, die Pflicht aufgenommen, den Zugang zu den Kunden-E-Mails für einen angemessene Zeit nach Beendigung des Vertrages über den Internetzugang zu ermöglichen.

  • Vertragsänderungen:

Die bisherige Möglichkeit zu einseitigen Vertragsänderungen für Anbieter in § 55 Abs. 1 TKG-E wird im neuen Referentenentwurf eingeschränkt. Dieser sieht nun vor, dass sich Anbieter das Recht zur Vertragsänderung in ihren AGB vorbehalten haben müssen, um dieses nach § 54 Abs. 1 TKG-E ausüben zu können.

Kritik:  Diese Einschränkung geht einerseits über Art. 105 Abs. 4 TK-Kodex hinaus, der eine solche Einschränkung des Änderungsrechts nicht vorsieht. Andererseits unterliegt das Änderungsrecht, welches sich eine Vertragspartei in AGB ausbedingen kann, nach § 308 Nr. 4 BGB den engen Einschränkungen der Zumutbarkeit, die sowohl § 55 Abs. 1 TKG-E als auch Art. 105 Abs. 4 TK-Kodex nicht vorsehen.

  • Weiterreichen pauschalierter Entschädigungen:

Anbieter erhalten nach § 56 Abs. 3 TGK-E und nach § 58 Abs. 3 TKG-E die Möglichkeit, eine an den Verbraucher im Zusammenhang mit einer Entstörung oder eines Umzugs ausgezahlte Entschädigung an ihren jeweiligen Vorleister durchzureichen. Diese Entschädigungen muss ein Anbieter an seine Kunden zahlen, wenn ein Techniker den vereinbarten Termin versäumt oder der Anschluss aufgrund einer Störung oder im Rahmen des Umzugs länger als zulässig ausfällt.

Dieses gesetzliche Erstattungsrecht besteht für den Anbieter gegenüber seinem Vorleister dann, wenn der jeweilige Vorleister für den Dienste-Ausfall oder den versäumten Technikertermin verantwortlich ist. Hierüber soll der eigentliche Verursacher angehalten werden, seine Leistung zu verbessern.

Kritik:  Unverständlicherweise ist ein Durchreichen der Entschädigung, die im Falle eines versäumten Technikereinsatzes gezahlt werden muss, beim Anbieterwechsels nach § 57 TKG-E nicht vorgesehen.

  • Minderung:

Im Rahmen der Minderung nach § 55 Abs. 4 TKG-E stellt der Gesetzgeber nunmehr bereits im Gesetzestext klar, dass sich ein jeweiliges Minderungsrecht des Kunden wegen der Schlechtleistung seines Anbieters nur auf den nicht vertragskonform erbrachten Vertragsbestandteil erstreckt. Hat der Kunde ein Bündelprodukt bestehend aus einem Internetzugang, einer Internetflatrate, eine Sprachflatrate, einem Router und einem TV-Paket erworben und hat der Internetanschluss eine von der vertraglichen Vereinbarung negativ abweichende Leistung, kann der Endkunde nur das Entgelt mindern, welches sich auf den Internetzugangsteil seines Vertrages bezieht. Zudem ist eine Minderung nur proportional zum Grad der Schlechtleistung möglich.

  • Anbieterwechsel:

Auch die Regelungen zum Anbieterwechsel in § 57 TKG-E erfahren im neuen Referentenentwurf noch Änderungen. Der Gesetzgeber hat die 11-Tage Karenzzeit nach Ablauf des Endkundenvertrages für den abgebenden Anbieter gestrichen und zugleich auch die Pflicht des aufnehmenden Anbieters, dem Endkunden nach 11-Tagen Verzögerung eine Sonderkündigung anzubieten, wieder herausgenommen. Stattdessen kehrt der Gesetzgeber zu der heute schon in § 46 Abs. 2 TKG bekannten Regelung zurück, wonach der Endkunde nach dem Ende seines Vertrages im Falle der Weiterversorgung nur noch ein um 50 % gemindertes Entgelt an seinen bisherigen Anbieter zahlen muss.

Gesetzliches Erstattungsrecht:  Neu ist, dass der abgebende Anbieter sich die an den Endkunden wegen einer längeren als der zulässigen eintägigen Unterbrechung des Anschlusses zu zahlenden Entschädigung vom aufnehmende Anbieter nach § § 57 Abs. 3 TKG-E erstatten lassen kann, falls der aufnehmende Anbieter für den Anschlussausfall beim Endkunden verantwortlich ist.

Gesetzliche Entschädigungen: (1) Aufgenommen wurde nun in § 57 Abs. 5 TKG-E auch eine pauschale Entschädigung zugunsten des Kunden im Fall der verspäteten Portierung und Aktivierung einer Rufnummer. Auch hier ist ein pauschales Entgelt in Höhe von 10 Euro an den Kunden zu zahlen unabhängig davon, ob dem Kunden vom Anbieter eine Ersatzrufnummer zugewiesen wurde. (2) Zudem hat der Gesetzgeber nachgebessert und auch eine pauschale Entschädigung zugunsten von Endkunden aufgenommen, wenn der Techniker des Anbieters den vereinbarten Technikertermin versäumt.

  • TK-TransparenzV:

Eine große Änderung erfährt die TK-TransparenzV. In Art. 42 TKModG werden die bisherigen §§ 1 - 4 TK-TransparenzV aufgehoben. Damit entfällt perspektivisch das Produktinformationsblatt. Dieses wird auch nicht, wie es noch der vorherige Referentenentwurf vorsah, durch die Vertragszusammenfassung nach § 52 Abs. 3 TKG-E ersetzt.

Folge:  Erhalten bleiben nun (ebenfalls im Gegensatz zum bisherigen Referentenentwurf) der bisherige § 5 TK-TransparenzV, der zum neuen § 1 TK-TransparenzV-E wird. Hiermit müssen Anbieter weiterhin Informationen zum Datum des Vertragsbeginns, zum aktuellen Zeitpunkt des Endes der Mindestvertragslaufzeit, zur Kündigungsfrist und zum letzten Kalendertag, an dem die Kündigung eingehen muss, und Informationen zum Anbieterwechsel auf jeder Rechnung andrucken.

Kritik:  Angesichts der hierneben vorhandenen Informationspflichten nach § 54 Abs. 3 TKG-E und nach § 55 Abs. 3 TKG-E, die einen sehr ähnlichen Regelungsinhalt haben, beginnt der Gesetzgeber hier mit einer Überregulierung von Informationspflichten.

  • Sperre wegen Zahlungsverzugs:

Bei der Sperre wegen Zahlungsverzug des Kunden hat der Gesetzgeber den Verzugsbetrag, ab dessen Überschreitung der Anbieter eine Sperre des Anschlusses durchführen darf, von zwischenzeitlich 150,- Euro wieder auf 100,- Euro gesenkt.

Vergleich:  Aktuell ist in § 45k TKG noch ein Betrag von 75,- Euro geregelt.

  • Nebenkostenprivileg:

Die Streichung des Nebenkostenprivilegs in § 2 Nr. 15 BetrKV ist weiterhin in Art. 14 TKModG-E vorgesehen. Diese soll aber nicht erst zum 31. Dezember 2025 eintreten, wie dies der vorherige Referentenentwurf vorsah.

Folge:  Nunmehr soll der Wegfall bereits 2 Jahre nach Inkrafttreten des TKModG erfolgen und damit voraussichtlich im Laufe des Jahres 2023.

 

Weitere Änderungen möglich

Der Gesetzgeber hat zwischen dem Referentenentwurf vom 2. November 2020 und dem jetzt am 9. Dezember 2020 vorgelegten noch zahlreiche und weitreichende Änderungen im "Teil 3. Kundenschutz" vorgenommen. Überraschenderweise ist es den federführenden Ministerien immer noch nicht gelungen, die Ressortabstimmung erfolgreich abzuschließen, weswegen auf dem Weg zu einem Kabinettsentwurf noch mit weiteren Änderungen gerechnet werden kann.

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