Ein schlechter Scherz in bestem Agentendeutsch: BND soll gesetzliche Befugnis zur "Legendierung" erhalten
Das BND-Gesetz soll geändert werden. Ein Referentenentwurf des Bundeskanzleramts sieht eine Präzisierung von Vorschriften zur Übermittlung von Informationen vor. Damit sollen Vorgaben aus der Entscheidung des BVerfG vom 28.9.2022 umgesetzt werden. Zugleich möchte man - quasi en passant - dem BND im schönsten Agentendeutsch eine "Legendierung" gesetzlich erlauben. Was mit einer solchen "Legendierung" gemeint ist, geht weder aus dem Gesetzesentwurf noch aus der Begründung hervor.
In einem neuen § 2 Abs. 1a soll es im BND-Gesetz künftig heißen:
"Der Bundesnachrichtendienst darf zum Schutz seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, seiner Einrichtungen und seiner Quellen Legenden einsetzen sowie die hierfür erforderlichen Tarnmittel herstellen und nutzen."
Aber was ist denn bitte sehr eine "Legende", die der Nachrichtendienst einsetzen soll, was genau ist mit "Tarnmitteln" gemeint?
In der Entwurfsbegründung heißt es hierzu lediglich:
"§ 2 Absatz 1a ist eine neue Vorschrift, die die Zulässigkeit des Einsatzes einer Verwaltungs-, Arbeitgeber- und Objektlegende zum Schutz des Bundesnachrichtendienstes und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klarstellt. Im Gegensatz zu § 5 Satz 2 BNDG i.V.m. § 8 Absatz 2 Satz 1 BVerfSchG erfolgt hier die Nutzung der Legende nicht unmittelbar zur heimlichen Beschaffung von Informationen. Die Legendennutzung erfolgt zum Schutz der Einrichtungen und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes. Es besteht daher ein unmittelbarer Bezug zu der Befugnis nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 BNDG, so dass die Regelung in § 2 Absatz 1 Satz 1 verortet ist.Legenden des Bundesnachrichtendienstes sind unter anderem in privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Zusammenhängen erforderlich. Ein Beispiel hierfür ist, wenn ein Unternehmen eine Verwaltungslegende des Bundesnachrichtendienstes in ihren Steuerunterlagen verwendet oder ein Institut eine Verwaltungslegende des Bundesnachrichtendienstes als offiziellen Partner im Sinne der Compliance-Regeln benennt. Der neugefasste Absatz 1a schafft somit Rechtssicherheit auch für die Kooperations- und Vertragspartner des Bundesnachrichtendienstes."
"Verwaltungslegende"? "Arbeitgeberlegende"? "Objektlegende"? All dies in den "Steuerunterlagen" eines Unternehmens (Buchhaltung? Bilanzen?)? Eine "Institut" als "Verwaltungslegende" eines Unternehmens und als "offizieller Partner im Sinne der Compliance-Regeln"? Und all dies soll auch noch ausgerechnet "Rechtssicherheit" für "Kooperations- und Vertragspartner" schaffen? Normenklare Bestimmungen sehen anders aus.
Der Begriff der "Legende" stammt aus der Geheimdienstwelt. Man erfindet für Personen, Liegenschaften, Einrichtungen Geschichten, die verschleiern sollen, dass sich hinter der Person, dem Objekt, der Einrichtung ein Nachrichtendienst verbirgt. Wie es der Welt der Geheimdienste entspricht, gibt es für den Begriff keine präzise Definition.
In einem rechtsstaatlichen Gesetz hat ein solcher Begriff nichts verloren. Man mag darüber streiten, ob eine "Verrechtlichung" der Aktivitäten der Nachrichtendienste - wie sie das BVerfG wiederholt vorgeschrieben hat - deren Arbeit übermäßig behindert. Mit Vorschriften, die in Geheimdienstjargon formuliert sind, ist jedoch niemandem gedient. Dem BND nicht, der damit rechnen muss, dass Karlsruhe eine solche Befugnisnorm für verfassungswidrig erklärt. Und dem liberalen Rechtsstaat nicht, der einem Nachrichtendienst keinen Freiraum lassen darf, kryptische Normen nach freiem Belieben zu interpretieren.