27.11.2012

"Facebook-Fahndung": Kein Grund zur Aufregung

Portrait von Niko Härting
Niko Härting

Wenn die Polizei Fahndungsaufrufe über Facebook verbreitet, ist dies genauso legal wie die Veröffentlichung von Fahndungsvideos auf den Internetseiten einer Tageszeitung. Das BVerfG hat darüber hinaus auch die - offene oder verdeckte - "Internetaufklärung" für verfassungsmäßig erachtet. Die Skandalisierung der "Facebook-Fahndung" geht an der Wirklichkeit und dem geltenden Recht schonungslos vorbei.

Die Hannoveraner Polizei hat mehr als 110.000 Fans; jedenfalls bei Facebook: http://www.facebook.com/#!/PolizeiHannover?fref=ts. Die Facebook-Aktivitäten der niedersächsischen Ordnungshüter sind ein erfolgreiches Pilotprojekt, das viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat ("Wie die Polizei in Hannover nach Zeugen sucht", Handelsblatt online v. 13.11.2012).

Missverständnis polizeilicher Facebook-Präsenz

"I like Staat: Lasst die Finger von der Facebook-Fahndung!" lautet die Überschrift eines Kommentars, der am letzten Sonntag im Berliner Tagesspiegel erschienen ist. Wie zahlreiche andere Kritiker, meint dort Jost Müller-Neuhof, "der Staat" solle sich von Facebook fernhalten:

"Eine grundsätzliche Frage ist, ob der Staat sich den Internetmilieus anvertrauen sollte. Das würde bei der Facebook-Fahndung geschehen. Der Staat würde sich mit einem der weltweit größten privaten Datensammler verschalten, um einiger Individuen habhaft zu werden, von denen teilweise nicht einmal sicher ist, dass sie etwas verbrochen haben. Der Große Bruder paktiert mit der Krake. Der Staat oder Facebook für sich genommen sind manchmal schon zu viel."

Der geneigte Leser fragt sich, ob Herr Müller-Neuhof Facebook überhaupt schon einmal genutzt hat. Denn seine Vorstellungen von der teuflischen "Krake" haben mit der Wirklichkeit wenig gemein. Die Polizei Hannover verbreitet bei Facebook Fahndungsaufrufe und Links auf die eigene Website. Warum soll bei Facebook nicht publiziert werden dürfen, was auf der Website des Tagesspiegels niemanden stören würde? Bis heute kann man beispielsweise über die Tagesspiegel-Website das Polizeivideo abrufen, das zur Ergreifung des "Darkroom-Mörders" im Mai diesen Jahres führte ("Polizei sucht mit Bildern nach Mörder", Tagesspiegel online v. 22.5.2012).

Facebook ist als "Datensammler" so "privat" wie der "Daten sammelnde" Tagesspiegel oder die Telekom (oder Vodafone), deren Telefon- und Internetleitungen die Polizei Tag für Tag nutzt. Und datenschutzrechtlich ist kein Argument ersichtlich, weshalb für die Verbreitung eines Fahndungsaufrufs über die Internetseiten eines Printmediums etwas anderes gelten soll als für Facebook.

Polizeiliche Nutzung Sozialer Netzwerke

Die Polizei darf Facebook und andere Internetdienste nicht nur - wie die Polizei Hannover - zur Verbreitung von Fahndungsaufrufen nutzen. Es ist ihr darüber hinaus erlaubt, im Internet zur Aufklärung von Straftaten zu recherchieren und in diesem Rahmen auch - offen und sogar verdeckt - zu kommunizieren. Das BVerfG hat dies in seiner Entscheidung zur Online-Durchsuchung deutlich betont (BVerfG, Urt. v. 27.2.2008 - 1 BvR 370/07, CR 2008, 306 = ITRB 2008, 75 (Rössel)):

"Danach wird die reine Internetaufklärung in aller Regel keinen Grundrechtseingriff bewirken. Die Kommunikationsdienste des Internet ermöglichen in weitem Umfang den Aufbau von Kommunikationsbeziehungen, in deren Rahmen das Vertrauen eines Kommunikationsteilnehmers in die Identität und Wahrhaftigkeit seiner Kommunikationspartner nicht schutzwürdig ist, da hierfür keinerlei Überprüfungsmechanismen bereitstehen. Dies gilt selbst dann, wenn bestimmte Personen - etwa im Rahmen eines Diskussionsforums - über einen längeren Zeitraum an der Kommunikation teilnehmen und sich auf diese Weise eine Art „elektronische Gemeinschaft“ gebildet hat. Auch im Rahmen einer solchen Kommunikationsbeziehung ist jedem Teilnehmer bewusst, dass er die Identität seiner Partner nicht kennt oder deren Angaben über sich jedenfalls nicht überprüfen kann. Sein Vertrauen darauf, dass er nicht mit einer staatlichen Stelle kommuniziert, ist in der Folge nicht schutzwürdig." (Rz. 311)

Polizeilicher Zwangszugriff auf Datenbestände in Sozialen Netzwerken

Eine ganz andere Frage ist, inwieweit Polizei und Justiz befugt sein sollen, auf Datenbestände bei Facebook & Co. zwangsweise Zugriff zu nehmen. Die EU-Kommission hat sich in ihrem Vorschlag für eine Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) um strenge Regeln bemüht für den Umgang der Internetdienste mit Daten der Bürger. Dass diese Datenbestände zugleich gegenüber dem informationshungrigen Staat effektiv geschützt werden müssen, kommt in dem EU-Entwurf zu kurz. Der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hat dies unlängst zurecht kritisiert ("EU soll Zugang zu Cloud-Daten für Strafverfolger klären", Heise online v. 17.11.2012).

 

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