15.07.2019

Filterpflichten nach Art. 17 EU-Urh-RL - Plädoyer für ein kohärentes Haftungssystem

Portrait von Prof. Dr. Caroline Volkmann
Prof. Dr. Caroline Volkmann h_da Hochschule Darmstadt University of Applied Sciences

Welche Filterpflichten treffen Host-Provider bei Persönlichkeitsrechts- und Urheberrechtsverletzungen? In seinem Schlussantrag hat EuGH-Generalanwalt Szpunar den Umfang der einer Social-Media-Plattform wie Facebook obliegenden Pflicht beurteilt, weitere Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Nutzer zu vermeiden (Schlussantrag des Generalanwalts Szpunar vom 4.6.2019, Rs. C‑18/18). Ausgehend von seiner Argumentation spricht vieles dafür, seine Analogie zum Urheberrecht für eine restriktive Auslegung der Filterpflichten nach Art. 17 EU-Urh-RL heranzuziehen.

  1. Filterpflichten bei Urheberrechtsverletzungen

Wenn es um die Frage der Verantwortlichkeit von Plattformen für Rechtsverletzungen Dritter geht, bietet das geistige Eigentum mitunter das schärfste Schwert, um die Interessen der Rechteinhaber zu wahren. Beispielhaft ist hier der Auskunftsanspruch gegen Internetprovider nach § 101 Abs. 9 UrhG zu nennen. Gerichtlich bestätigt ist die „notice-and-stay-down“-Verpflichtung von Host-Providern nach aktueller Rechtslage.

Im April wurde die Urh-RL 2019/790 verabschiedet, wobei die Diskussion über die Haftung von Diensteanbietern und deren Pflicht, Upload-Filter einzusetzen, im Vordergrund stand. Art. 17 Abs. 4 Uhr-RL sieht nun vor, dass Host-Provider die erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden. Damit werden Upload-Filter unvermeidlich sein (dazu eingehend Spindler, CR 2019, 277, 283 Rz. 85 ff.; Volkmann, CR 2019, 376 Rz. 30 ff.).

  1. Filterpflichten bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen

Im vorliegenden Verfahren postete ein Nutzer das Foto einer Politikerin zusammen mit einem Zitat und einem herabwürdigen Beitrag auf Facebook. Facebook weigerte sich, den Post zu entfernen.

Der Oberste Gerichtshof Österreich hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob und in welchem Umfang Host-Provider nach begangener Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts künftige gleichartige Rechtsverletzungen durch denselben oder auch andere Nutzer verhindern müssen (vgl. dazu auch LG Würzburg v., 7.3.2017, 11 O 2338/16 UVR - Obdachloser angezündet).

   a) Analogie zur Host-Provider-Haftung bei Urheberrechtsverletzungen

Szpunar hat in seinem Schussantrag bekräftigt, dass die E-Commerce-RL eine allgemeine Überwachungspflicht verbietet. Nach Art. 14 Abs. 3 E-Commerce-RL kann ein Host-Provider aber verpflichtet sein, eine Rechtsverletzung zu verhindern. Daraus folgt die Zulässigkeit von Prüfpflichten in spezifischen Fällen, nämlich nach erster begangener Rechtsverletzung.

Bemerkenswert ist, dass Szpunar seine Argumentation auf die Rechtsprechung zur Haftung von Host-Providern bei Verletzungen des geistigen Eigentums stützt. Denn als weiteres Argument für spezifische Prüfpflichten bei Urheberrechtsverletzungen wird Art. 11 Enforcement-RL angeführt, der gerichtliche Anordnungen gegenüber Vermittlern bei Verletzungen des geistigen Eigentums vorsieht (zur Haftung des Access-Providers auf Sperrverpflichtungen BGH v. 26.7.2018, I ZR 64/17 - Dead Island).

Die gerade erlassene Urh-RL 2019/790 zieht Szpunar argumentativ nicht ausdrücklich heran, sie ist aber zwischen den Zeilen spürbar.

   b) Ausgestaltung der Filterpflicht

Für die Ausgestaltung der Prüfpflichten von Social-Media-Plattformen bildet Szpunar zwei Fallgruppen, nämlich mit dem rechtswidrigen Inhalt einerseits wortidentische und andererseits sinngleiche Äußerungen.

Nach Szpunar ist ein Host-Provider verpflichtet, wortidentische bzw. wortgleiche Wiederholungen der ursprünglichen Rechtsverletzung zu vermeiden. Dies betrifft sowohl Wiederholungen durch den Verletzten als auch durch Dritte, so z.B. durch manuelle Wiedergaben oder das automatische „Teilen“ der rechtswidrigen Informationen. Dadurch werde keine allgemeine Überwachungspflicht statuiert. Auch werde ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den sich gegenüberstehenden Grundrechten hergestellt. Dem ist beizupflichten (dazu 3. unten).

Im Ergebnis bejaht Szpunar auch die Pflicht des Host-Providers, Äußerungen zu entfernen, die mit der als rechtswidrig eingestuften Äußerung sinngleich sind. So sehr eine solche Prüfpflicht des Host-Providers für sinngleiche Äußerungen in der Theorie auch einleuchten mag, so sehr bleibt offen, wie Gerichte und Host-Provider mit dieser sehr subjektiven Unterscheidung in der Praxis umgehen sollen.

  1. Ein kohärentes Haftungssystem für Host-Provider

Die von Szpunar auf dem Gebiet der Host-Provider-Haftung herangezogene Analogie zwischen Urheberrecht und Allgemeinem Persönlichkeitsrecht ist zweckmäßig und praktikabel. Sie ist nicht zwingend, zeigt aber, dass spezifische Vermeidungspflichten für Host-Provider nach (sic!) begangener Rechtsverletzung zum Standardfall werden.

Host-Provider können im Unterschied zu Access-Providern auf die gespeicherten Inhalte einwirken, was unabhängig von rechtlichen Verpflichtungen im Rahmen der Geschäftsmodelle ohnehin bereits geschieht.

   a) Auslegungsansatz für Art. 17 EU-Urh-RL

Die Wechselwirkung zwischen Persönlichkeitsrecht und Urheberrecht kann für die Auslegung der Urh-RL 2019/790 fruchtbar gemacht werden:

Die von Szpunar aufgestellten Parameter für den Umfang von Prüfpflichten des Host-Providers unterstreichen eine restriktive Auslegung des Art. 17 Abs. 4 Urh-RL 2019/790. Denn Art. 17 Abs. 8 Urh-RL 2019/790 verbietet allgemeine Überwachungspflichten. Während darin bisher ein unüberwindbarer Widerspruch zu Art. 17 Abs. 4 Urh-RL 2019/790 gesehen wird, kann Absatz 8 als Rettungsanker für Auslegungsfragen und den Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers begriffen werden.

Gewichtige Argumente sprechen für eine Auslegung des Art. 17 Abs. 4 Urh-RL 2019/790 dahingehend, die Diensteanbieter lediglich nach den bisher geltenden Maßstäben der Störerhaftung in die Verantwortung zu nehmen (dazu eingehend Volkmann, CR 2019, 376, 378 Rz. 21 ff.). Erst nach Kenntnisnahme von der Urheberrechtsverletzung bzw. der Rechtesituation (sic!) haftet der Diensteanbieter für wiederholte bzw. künftige Rechtsverletzungen an demselben Rechtsgut. Um eine Haftung auszuschließen, muss er Upload-Filter einsetzen.

   b) Vergleich mit dem Ansatz von GA Szpunar

Szpunar  nimmt zur Feststellung des Umfangs der Prüfpflichten der Social-Media-Plattform eine Abwägung der in Rede stehenden Grundrechte vor. Deren Maßstäbe sind an die Kriterien des Art. 17 Urh-RL 2019/790 angelehnt:

  • Zumutbarkeit & Kosten des Einsatzes von spezieller Software für Unternehmen,
  • Intensität der Grundrechtseingriffe,
  • Verbot allgemeiner Überwachungspflichten.

   c) Kenntnis als Zäsur

Die entscheidende Zäsur für eine Haftung bildet nach wie vor die Kenntnis der Plattform von einer Rechtsverletzung.

Eine allgemeine Gefährdungshaftung der Plattform für Persönlichkeitsrechtsverletzungen lehnt Szpunar zu Recht ab. Es ist weder praktikabel noch angemessen, einen Host-Provider dazu zu verpflichten, den gesamten Datenbestand auf mit der rechtswidrigen Äußerung sinngleiche Inhalte zu filtern. Gleiches gilt für die Pflicht, den gesamten Datenbestand ex ante auf urheberrechtlich nicht geklärtes Material zu filtern.

Vertiefend zur Argumentationslinie für eine restriktive Auslegung der Urh-RL:

Volkmann, Art. 17 Urh-RL und die Upload-Filter: verschärfte Störerhaftung oder das Ende der Freiheit im Internet?, CR 6/2019, 376-384

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