Gesetzgeberische Enthaltsamkeit als Tugend - Offenbarungseid einer Ministerin
Seit dem Amtsantritt der derzeitigen Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger vor nahezu drei Jahren hat sich im Urheberrecht nichts bewegt. Ein "3. Korb" wurde zwar ausgiebig diskutiert. Ergebnis/Gesetzesentwürfe: Fehlanzeige. Dies, obwohl unter allen Experten Einigkeit darüber besteht, dass das Urheberrecht in weiten Teilen reformbedürftig ist.
In der heutigen FAZ v. 31.5.2012, Seite 8, bemüht sich die Ministerin, ihre gesetzgeberische Enthaltsamkeit (und Einfallslosigkeit) als Tugend darzustellen, indem sie mit einem kräftigen Handstreich sämtliche Reformen ihrer beiden Amtsvorgängerinnen kritisiert:
"So haben die letzten gesetzlichen Änderungen zwischen 1998 und 2009 zu erheblichen Verkomplizierungen am Text des Urheberrechtsgesetzes und deutlichen Akzeptanzproblemen geführt."
Ansonsten findet man in dem langen Beitrag viele Verneinungen und hilflos wirkende Ausführungen zu dem schwierigen "Interessengeflecht", in dem sich das Urheberrecht bewegt:
"Die Verschränkung der Akteure erlaubt im Moment keinen großen Wurf und kein Superreformgesetz..."
Ein wenig hofft die Ministerin auf den Markt:
"Wo die Wirtschaft Antworten auf die neuen Fragen des digitalen Zeitalters gefunden hat, werden wie bei Verlagen und in der Musikindustrie auch wieder schwarze Zahlen geschrieben."
Ein wenig wird die eigene Untätigkeit mit liberalem Credo verklärt:
"Die Zentralgestalt des Netzes ist nicht der Staat, sondern der mündige Nutzer."
Am Schluss ein paar Sympathiebekundungen für eine "Fair use"-Regelung nach amerikanischem Muster. Aber sogleich Stopp: Dies setze voraus, dass "europäische Vorgaben" geändert werden. Brüssel sei am Zuge.
Insgesamt bewegt sich die für das Urheberrecht zuständige Ministerin nah an einem Offenbarungseid. Ein Gutes hat dies: Von dem lange schon angekündigten Gesetzesentwurf zu einem Leistungsschutzrecht für Presseverlage ist nicht mehr die Rede.