11.09.2012

Kehrtwende im Glücksspielrecht in Schleswig-Holstein: Königs- oder Irrweg?

Portrait von Isabell Conrad
Isabell Conrad

Autoren: Dr. Sonja Fechtner und Isabell Conrad

„Den Irrweg der Isolation verlassen“ will Schleswig-Holstein - so SPD-Fraktionschef Ralf Stegner – durch seinen Ende Juli 2012 beschlossenen Beitritt zum Glücksspielstaatsvertrag der übrigen Länder. Am 15.12.2011 hatten die Länder mit Ausnahme Schleswig-Holsteins im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz einen Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüStV) unterzeichnet. Schleswig-Holstein hatte den Staatsvertragsentwurf nicht unterschrieben, da im September 2011 ein eigenes Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein (GlücksspielG SH) verabschiedet wurde, das am 1.1.2012 in Kraft getreten ist. Nun – nach der Landtagswahl - plant Schlewig-Holstein ein Gesetzespaket, das Regelungen für den Beitritt des Landes zum GlüStV und die Aufhebung des bestehenden GlücksspielG SH vorsieht. Die geplante Gesetzesänderung könnte frühestens Ende 2012 in Kraft treten. Ob das klug ist, darf angesichts der Rechtsprechung von BGH und EuGH und der Stellungnahme der Monopolkommission bezweifelt werden.

GlücksspielG SH liberaler als GlüStV

Der GlüStV ermöglicht 20 länderübergreifende Lizenzen für private Wettanbieter von Sportwetten für einen Zeitraum von zunächst sieben Jahren. Casinospiele (einschließlich Poker) sind nach GlüStV online verboten und dürfen nur in Spielbanken veranstaltet werden, bei Lotterien gilt das staatliche Veranstaltungsmonopol. Im Gegensatz zum GlüStV sieht das (noch) geltende GlückspielG SH eine weitgehendere Liberalisierung des Sportwettenmarkts vor und erlaubt unter anderem Online-Poker. Im Mai 2012 waren auf der Grundlage dieses Gesetzes erste Lizenzen vergeben worden (u.a. an die Betreiber von Oddset, bet365, Betfair, Bet-at-home, Tipico, bwin und mybet), weitere etwa 30 Anträge für Sportwetten und über 20 Anträge für Online-Casino-Angebote liegen vor. Die Lizenzen haben sechs Jahre Bestand. Forderungen, im Zuge der Pläne für eine Aufhebung des GlücksspielG SH die vergebenen Lizenzen einzukassieren, sind angesichts des Vertrauensschutzes und der daraus resultierenden Schadensersatzansprüche wenig realistisch.

GlüStV nach wie vor nicht rechtskonform

Im Jahr 2008 hatte das BVerfG in der Oddset-Entscheidung das damals geltende Sportwettenmonopol für verfassungswidrig erklärt. Im Anschluss daran sollte eine verfassungs- und europarechtlich zulässige Regelung des deutschen Glücksspielmarkts herbeigeführt werden. Dieses Ziel galt allerspätestens nach den EuGH-Entscheidungen in 2010 (Carmen Media) als nicht erfüllt. Ein Großteil der deutschen Gerichte hielt die Monopolregelungen des (damaligen) Glücksspielstaatsvertrags für europarechtswidrig und nicht anwendbar. Die Länder besserten Anfang 2011 nach. Doch die Notifizierung führte zu einer negativen Stellungnahme der EU-Kommission, die Nachbesserungen verlangte, um europarechtlichen Vorgaben gerecht zu werden. Die Länder legten mit dem erwähnten GlüStV eine marginal nachgebesserte Form vor, die zunächst auf Grund der teilweise diplomatischen Äußerungen der EU-Kommission unterschiedlich interpretiert, schlussendlich jedoch als nicht rechtskonform beurteilt wurde. Nichtsdestotrotz trat der GlüStV nach Ratifizierung in den Länderparlamenten am 1.7.2012 in Kraft.

Auch Monopolkommission fordert Liberalisierung

Am 6.7.2012 hatte die Monopolkommission ihr 19. Hauptgutachten „Stärkung des Wettbewerbs bei Handel und Dienstleistungen“ vorgelegt und darin explizit aufgefordert, die Regelungen des GlüStV zu korrigieren. Das Verbot von Online-Poker und Online-Glücksspiel und die zu niedrige Anzahl der zu vergebenden Konzessionen für Sportwetten-Anbieter stärkten bestehende Schwarz- und Graumärkte und erzielten keinen verbesserten Spielerschutz. Um den florierenden Schwarz- und Graumarkt zu regulieren und steuerlich nutzbar zu machen, sei der Bruttorohbetrag als Bemessungsgrundlage sinnvoll, wie es z.B. im GlücksspielG SH vorgesehen ist. Der GlüStV wählt dagegen den Spieleinsatz als steuerliche Bemessungsgrundlage.

Fazit

Kein Wunder, dass die neuen Pläne von Schleswig-Holstein bereits zwei Verpflichtungsklagen potentieller Anbieter von Online-Casinospielen beim Verwaltungsgericht provoziert haben. Die CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag will erreichen, dass das GlücksspielG SH so lange umgesetzt und basierend darauf Lizenzen erteilen werden, bis das Notifizierungsverfahren für den GlüStV abgeschlossen ist. Im Ergebnis ist das der richtige Weg. Denn Deutschland ist einer der größten Pokermärkte der Welt. Bleiben Online-Poker und Online-Casinospiele weiterhin verboten, können pathologische Spieler nicht aus dem Schwarzmarkt geführt werden. Deutschland treffen die gesellschaftlichen Lasten von Spielsucht, ohne dass wirksamer Jugend- und Spielerschutz sowie Geldwäschekontrolle erreicht werden können. Dagegen profitieren andere Staaten, auch innerhalb der Europäischen Union, von Beschäftigungseffekten und Einnahmen des Glücksspiels, insbesondere im Zeitalter des Internets. Das geltende GlücksspielG SH könnte den Weg für eine europarechtskonforme Regelung auch in den anderen Bundesländern weisen. Es ist höchste Zeit, den goldenen Pfad zum kohärenten und systematischen Regelungsgefüge für Glücksspiele zu beschreiten.

 

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