Klingt gut, stimmt aber nicht: Warum der Gabriel-Entwurf die Störerhaftung nicht erleichtert, sondern verschärft
Klingt gut, stimmt aber nicht: Weite Teile der Tagespresse gingen gestern dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) auf den Leim und verkündeten, die Bundesregierung wolle die Störerhaftung für Hotspots und öffentliche WLANS „abschaffen“. Wer als Inhaber eines Cafés, Restaurants oder Hotels seinen Gästen die WLAN-Nutzung ermögliche, müsse sich künftig keine Sorgen wegen einer Haftung für illegale Downloads machen (vgl. etwa "W-Lan-Betreiber sollen nicht mehr für ihr Netz haften", FAZ.net v. 12.3.2015).
Künftige Voraussetzungen der Störerhaftung
Der Gesetzesentwurf, den das BMWi am 11.3.2015 vorgelegt hat, schafft die Störerhaftung keineswegs ab. In § 8 Abs. 4 TMG-E werden vielmehr die Voraussetzungen einer solchen Haftung geregelt. Danach soll der Betreiber eines „geschäftsmäßigen“ Hotspots in Zukunft („nur“) haften, wenn er:
- kein „anerkanntes Verschlüsselungsverfahren“ (auf Deutsch: keine Sicherung durch ein Passwort) verwendet und
- die Nutzer nicht erklären lässt, dass sie „keine Rechtsverletzungen“ begehen werden.
Als Betreiber eines Cafés, eines Krankenhauses, eines Flughafens, Bahnhofs oder einer Anwaltskanzlei soll ich somit in Zukunft von Haftungssorgen (nur) befreit sein, wenn ich den WLAN-Anschluss durch ein Passwort sichere und zudem meine Gäste und Besucher bestätigen lasse, dass sie sich rechtstreu verhalten werden. __________ Anzeige: __________
Weder "Abschaffung" noch "Erleichterung"!
Die Rechtsprechung zur Haftung des Betreibers öffentlicher Hotspots ist spärlich. Die Zahl der bekannt gewordenen Streitfälle ist gering. Aus diesen Streitfällen lässt sich jedoch eindeutig ableiten, dass ein Passwortschutz und ein Warnhinweis an die Nutzer bereits nach derzeitiger Rechtslage ausreichen, um eine Störerhaftung auszuschließen. Von einer „Abschaffung“ oder „Erleichterung“ der Haftung kann überhaupt nicht die Rede sein:
- AG Hamburg v. 24.5.2014, Az. 25b C 924/13: Keine Störerhaftung eines Hotelbetreibers bei Passwortschutz und schriftlichem Warnhinweis;
- AG Koblenz v. 18.6.2014, Az. 161 C 145/14: Keine Störerhaftung eines Hotelinhabers bei Passwortschutz und Belehrung der Gäste über die Folgen von Rechtsverstößen;
- AG Hamburg v. 10.6.2014, Az. 25b C 431/13:, CR 2014, 536 m.Anm. Mantz: Keine Störerhaftung des Hotelbetreibers bei Passwortschutz;
- LG Frankfurt v. 28.6.2013, Az. 2-6 O 304/12: Keine Störerhaftung des Vermieters von Ferienwohnungen selbst bei einem Verzicht auf Passwortschutz, wenn den Gästen die WLAN-Nutzung nur eingeschränkt gestattet wird;
- AG Charlottenburg v. 17.12.2014, Az. 217 C 121/14, CR 2015, 192 m. Anm. Bergt: Keine Störerhaftung des Betreibers von „Freifunk“ auch ohne Passwortschutz;
- AG Frankfurt v. 16.12.2014, Az. 30 C 2801/14 (32), ITRB 2015, 58 (Rössel): Keine Störerhaftung des Betreibers eines Hotspots, da es sich um „ein berechtigtes Geschäftsmodell“ handele;
- LG Frankfurt/M. v. 18.8.2010 – 2-6 S 19/09, CR 2011, 411 = ITRB 2011, 108 (Rössel): Keine Störerhaftung des Hotelbetreibers, wenn er seine Gäste vorher auf die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben hingewiesen hat, ohne dass es auf einen Passwortanschluss ankommt;
- AG München, v. 15.12.2012, Az. 142 C 10921/11: Keine Störerhaftung des Vermieters, wenn er sich vertraglich zusichern lässt, der Mieter werde den eingeräumten Zugang zum Internet nicht zu illegalen Zwecken benutzen
- LG Hamburg v. 25.11.2010, Az. 310 O 433/10, CR 2011, 331: Dies ist die einzige Entscheidung, in der eine Störerhaftung des WLAN-Betreibers uneingeschränkt bejaht wurde.
Fazit zur bisherigen Rechtsprechung:
Die Rechtsprechung ist nicht ganz einheitlich. Es gibt jedoch nur eine Entscheidung (aus dem Jahre 2010), in der eine Störerhaftung des Betreibers eines öffentlichen WLANs uneingeschränkt bejaht wurde. Alle anderen Entscheidungen lassen es für eine Haftungsbefreiung jedenfalls ausreichen, dass ein Passwortschutz verwendet wird und Warnhinweise erteilt werden. Im „Freifunk“-Fall und einigen anderen Fällen wurde zudem eine „Verschlüsselungspflicht“ verneint. Tendenziell verschärft der BMWi-Entwurf somit die Haftung der WLAN-Betreiber. Von einer „Erleichterung“ der Haftung oder gar von einer „Abschaffung der Störerhaftung“ kann nicht die Rede sein.