30.01.2020

Künstliche Intelligenz als Erfinder?

Portrait von Niklas Maamar
Niklas Maamar Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Humboldt-Universität zu Berlin

Kann eine künstliche Intelligenz Erfinder sein? Das Europäische Patentamt musste sich in einer am Montag veröffentlichten Entscheidung erstmals mit dieser Frage beschäftigen und gab eine klare Antwort. Das zugrunde liegende Problem dürfte das Patentrecht dennoch weiterhin vor Herausforderungen stellen.

Ausgangslage

Künstliche Intelligenz gewinnt im Patentrecht immer mehr an Bedeutung – einerseits als Patentgegenstand bei computerimplementierten Erfindungen, anderseits aber auch als Mittel zum Erfinden. Zunehmend können Computersysteme eingesetzt werden, um selbständig Innovationen zu erzeugen. Damit steht das Patentrecht vor der Frage: Wem gehört die Erfindung, die eine künstliche Intelligenz generiert hat?

Sachverhalt

Ende 2018 meldete Stephen Thaler die Patente EP 18275163 (Fraktaler Lebensmittelbehälter) und EP 18275174 (Blinklicht) an. Auf dem Formblatt für die Meldung des Erfinders benannte er in beiden Fällen eine künstliche Intelligenz („DABUS“) als alleinigen Erfinder. DABUS sei ein System aus verbundenen neuronalen Netzen, das die Erfindungen ohne menschliche Steuerung produziert habe.

Die Anmeldung geht auf ein Team um den britischen Rechtsprofessor Ryan Abbott zurück, der einen Präzedenzfall für die Erfinderstellung von künstlicher Intelligenz schaffen will. Er beruft sich auf eines der Prinzipien des Patentrechts, die Anerkennung des wahren Erfinders, das beim Einsatz von künstlicher Intelligenz sonst nicht mehr aufrecht zu erhalten sei.

Entscheidung

Das Europäische Patentamt hat die Erteilung beider Patente abgelehnt und die Anmeldungen aus formalen Gründen zurückgewiesen. Die Prüfungsabteilung stützt sich dafür auf zwei rechtliche Argumente:

  • Als Erfinder kann nur eine natürliche Person benannt werden. Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) geht an mehreren Stellen implizit davon aus, dass der Erfinder ein Mensch ist. Regel 19 der Ausführungsordnung zum EPÜ verlangt etwa die Angabe des vollen Namens und der Anschrift des Erfinders. Die Erfindernennung hat einen persönlichkeitsrechtlichen Kern, der schon nicht für juristische Personen und erst recht nicht für „elektronische“ Nicht-Personen greift. Mit DABUS ist daher kein tauglicher Erfinder benannt, sodass die Anmeldung nach Art. 90 V EPÜ zurückzuweisen war (Rn. 19 ff.).
  • Wenn der Anmelder nicht selbst der Erfinder ist, muss er nach Art. 81 EPÜ eine Erklärung einreichen, wie er das Recht auf das Patent erlangt hat. Thaler argumentierte, er sei Arbeitgeber oder jedenfalls Rechtsnachfolger von DABUS und daher berechtigt. Wie das Patentamt feststellt, hat eine künstliche Intelligenz jedoch keinen rechtlichen Status und kann weder Partei eines Arbeitsvertrages sein, noch originär Rechte erwerben. Es gibt schlicht kein Rechtsinstitut, um Rechte von einer künstlichen Intelligenz auf einen Menschen zu übertragen. Die nach Art. 81 EPÜ geforderte plausible Erklärung konnte Thaler daher nicht erbringen (Rn. 30 ff.).

Was bleibt?

Der Versuchsballon, den Abbott und Thaler losgeschickt haben, wurde damit vom Europäischen Patentamt vorerst wieder auf den Boden zurückgeholt. Eine künstliche Intelligenz als rechtlich relevanten Akteur anzuerkennen hätte, wie eine Sprecherin des Patentamts vor der Verhandlung sagte, „Auswirkungen weit über das Patentrecht hinaus, zum Bespiel für Persönlichkeitsrechte, Haftungsfragen und den Datenschutz.“ Insofern kann es wenig überraschen, dass sich die Patentprüfer auf einen strikten, formalen Standpunkt zurückgezogen haben.

Der offensichtliche Ausweg in der Praxis ist, einen Menschen als Erfinder der eigentlich computergenerierten Erfindung zu benennen. Sobald eine natürliche Person auf dem Formblatt eingetragen wird, ist das formale Erfordernis erfüllt und das Patentamt prüft die Richtigkeit der Angaben nicht nach.

„Die Richtigkeit der Erfindernennung wird vom Europäischen Patentamt nicht geprüft.“ (Regel 19 II EPÜ AO)

Über diese Regel wird sich das praktische Problem zunächst umgehen lassen – dennoch darf das Patentrecht die Diskussion um computergenerierte Erfindungen nicht vorzeitig als erledigt abhaken. Verschließt das Patentrecht dauerhaft die Augen vor dem Einsatz von künstlicher Intelligenz im Erfindungsprozess, läuft es Gefahr, an Bedeutung zu verlieren. Vielleicht ist der Fall damit auch eine Chance, aus einem neuen Blickwinkel über die Rolle des (menschlichen) Erfinders nachzudenken. Auch beim Standard der Erfindungshöhe oder dem Maßstab des fiktiven Durchschnittsfachmanns wird die zunehmende Verbreitung von künstlicher Intelligenz schon in absehbarer Zeit eine wesentliche Rolle spielen.

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