28.02.2012

Massive Eingriffe in Grundrechte: BND filtert systematisch E-Mails

Portrait von Niko Härting
Niko Härting

Wer hätte das gedacht? „Bombenwetter“ – Ein harmlos-unbedachtes Wort in einer Mail. Und der BND liest mit. Dies mit dem Segen der Geheimdienstkontrolleure des Deutschen Bundestages. Der Bericht über mehr als 37 Mio. überwachte Mails im Jahre 2010 legt massive Grundrechtseingriffe offen. Man darf hoffen, dass engagierte Bürger Verfassungsbeschwerde einlegen werden.

Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Deutschen Bundestages hat am 10.2.2012 über Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses im Jahre 2010 berichtet (BT-Drucks 17/8639). Das PKGr hat nach dem Artikel 10-Gesetz (G 10) die Aufgabe der Kontrolle, die Geheimdienste bei Eingriffen in Art. 10 GG zu überwachen.

Brisant: Art. 5 Abs. 2 G 10 gibt dem Bundesnachrichtendienst (BND) die Befugnis, E-Mails mit Suchbegriffen zu durchforsten. Voraussetzung: Die Suchbegriffe müssen „zur Aufklärung von Sachverhalten über den in der Anordnung bezeichneten Gefahrenbereich bestimmt und geeignet“ sein.

Von dieser Befugnis hat der BND im Jahre 2010 massiv Gebrauch gemacht und laut dem PKGr-Tausende von Suchbegriffen verwendet:

  • Gefahrenbereich „Internationaler Terrorismus“: 3.752 Suchbegriffe
  • Gefahrenbereich „Proliferation und konventionelle Rüstung“: 26.147 Suchbegriffe
  • Gefahrenbereich „Illegale Schleusung“: 634 Suchbegriffe

Laut dem Bericht handelt es sich bei den Suchbegriffen (auch) um „gängige und mit dem aktuellen Zeitgeschehen einhergehende Begriffe“. Pressebereichte, nach denen mit Suchbegriffen wie „Bombe“ gearbeitet wird, erscheinen demnach durchaus plausibel. Hier muss allerdings spätestens auch die verfassungsrechtliche Kritik einsetzen: Denn wenn tatsächlich mit Allgemeinbegriffen gearbeitet wird, kann von einer „Bestimmtheit“ und „Geeignetheit“ gemäß Art. 5 Abs. 2 G 10 nur noch in sehr allgemeinem Sinne die Rede sein. Die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit einer solchen Suche ist mehr als fraglich.

Es kommt zu massiven Grundrechtseingriffen. Denn die Suche mit Allgemeinbegriffen führte laut dem Bericht zu mehr als 37 Mio. Treffern. Von diesen Treffern wurden nur wenige als „nachrichtendienstlich relevant“ eingestuft.

Wie der BND mit den 37 Mio. Treffern genau verfährt, ist nicht bekannt. Um festzustellen, welche der 37 Mio. Mails „nachrichtendienstlich relevant“ sind, werden die Geheimdienstler diese Mails in der ein oder anderen Form lesen müssen. Denn wie soll man sonst unterscheiden, ob es sich bei einer Mail mit dem Stichwort „Bombe“ um eine pornographische Spam-Mail oder um die Mail einer Terrorbande handelt?

Unbekannt ist auch, wie denn der BND an die durchforsteten Mails gelangt. Hier kann man nur vermuten, dass die TK-Provider den Diensten zuarbeiten. Dies kann man den Providern nicht verdenken, da sie nach § 2 G 10 verpflichtet sind, entsprechenden Anordnung nachzukommen.

Verfassungsrechtlich bietet sich folgendes Bild:

  • BVerfG zur Beschlagnahme von Mails beim Provider: Das BVerfG hat klargestellt, dass die Mails beim Provider unter dem Schutz des Art. 10 GG stehen.
  • BVerfG zu Kreditkartendaten: Ein Eingriff liegt noch nicht in der Durchsuchung selbst. Bei den Mails, die ohne Treffer durchsucht worden sind, fehlt es an einem Grundrechtseingriff. Anders indes in den mehr als 37 Mio. Fällen, in denen es „Treffer“ gegeben hat.
  • BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung: Die Zahl der Treffer dürfte außer Verhältnis stehen zu den verfolgten Zwecken. Wenn der BND Mails mit zahlreichen Allgemeinbegriffen durchsucht, läuft dies auf eine anlasslose Totalüberwachung des Mailverkehrs hinaus.
  • BVerfG zu § 113 TKG: Wie bei dem jüngst entschiedenen Fall zur TK-Überwachung dürfte auch bei den BND-Maßnahmen jedermann befugt sein, Verfassungsbeschwerde zu erheben, da jeder Bundesbürger damit rechnen muss, von den geheimdienstlichen Filtermaßnahmen betroffen zu sein.

Nur abschließend noch der Hinweis auf das rasante Ansteigen der „Filtermaßnahmen“ des BND:

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