Nicht nur bis Weihnachten: Warum Lockdown-Beschlüsse in die Parlamente gehören
Nach einem Pressebericht haben Ärzteverbände, die mehr als 200.000 Mediziner repräsentieren, ein gemeinsames Positionspapier verfasst. Die Ärzte sprechen sich gegen einen übereilten Lockdown aus und fordern einen „Strategiewechsel“. Ein solcher „Strategiewechsel“ ist auch verfassungsrechtlich geboten. Die Diskussion gehört in den Deutschen Bundestag und in die Parlamente der Bundesländer.
Anlass & Rechtsgrundlage
Besuchsverbote, Betriebsschließungen, Vergnügungs- und Veranstaltungsverbote: Heute wird im Kanzleramt erneut über drastische Beschränkungen unserer Freiheitsrechte diskutiert. Hinter verschlossenen Türen und ohne gesetzliche Grundlage. Als ob die Regeln des Grundgesetzes, die alle Juristen im Studium gelernt haben, durch die Pandemie außer Kraft gesetzt worden wären.
Im neunten Monat der Pandemie lassen sich Corona-Maßnahmen nicht mehr auf die dünne Verordnungsermächtigung des § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG) stützen. Etliche Staatsrechtler, aber auch Bundestagsabgeordnete wie Johannes Fechner (SPD) haben in den vergangenen Wochen ein Ende der „Stunde der Exekutive“ gefordert. Bei der Bundeskanzlerin und den meisten Ministerpräsidenten der Länder stößt dies auf taube Ohren. Man setzt sich vorsätzlich über die Einwände der Verfassungsrechtler hinweg.
Medizinische Indikationen
Ebenso wenig wie auf die Verfassungsrechtler hört man auf Ärzte, die der Regierungspolitik widersprechen. Man hört nicht auf "die Wissenschaft". Aus Medizin und Wissenschaft gibt es viele Stimmen gegen einen erneuten Lockdown. Viele Stimmen, die vor der Illusion warnen, man könne den Virus durch einen Lockdown „besiegen“ oder auf einen Impfstoff vertrauen. Viele Stimmen, die fordern, dass wir lernen müssen, „mit dem Virus zu leben“.
Mathematische Modelle & Hochrechnungen
Nicht „die Wissenschaft“ bestimmt die Politik, sondern Modelle und Hochrechnungen. Seit dem Frühling hat man Tausende von Kurven, Graphen und Tabellen gesehen. Es handelt sich um Hochrechnungen, die von Mathematikern erstellt werden. Und es verhält sich wie mit den Hochrechnungen vor einer Wahl. Manche Hochrechnungen bewahrheiten sich, andere nicht.
Derzeit dominieren drastische Modelle, die vorhersagen, wie sich die Infiziertenzahlen, die Bettenbelegung in den Krankenhäusern und die Todeszahlen in den nächsten Wochen entwickeln werden, wenn sich der Anstieg der vergangenen Wochen fortsetzt. Andere Modelle prophezeien, dass sich Kurven durch einen Lockdown nach unten bewegen lassen.
Politische Weitsicht & Strategie
Die Lockdown-Kurven, die wir derzeit sehen, reichen bestenfalls bis Weihnachten. Niemand sagt, wie es nach dem zweiten Lockdown weitergehen soll. Möchte man zur Weihnachtszeit erneut auf steigende Kurven starren und über den dritten Lockdown diskutieren? Wie lange möchte man dieses Spiel fortsetzen? Wie viele Pleiten, Entlassungen und psychische Erkrankungen nimmt man in Kauf?
Ärzte warnen davor, um jeden Preis auf einen Rückgang der Fallzahlen zu setzen. Diese Warnung und die Forderung der Ärzte nach einem Strategiewechsel dürfen nicht ungehört verhallen. Wir müssen eine Strategie und eine Politik einfordern, die über die Weihnachtszeit hinaus denkt und plant. Wir müssen verlangen, dass einschneidende Maßnahmen in den Parlamenten und nicht hinter verschlossenen Türen diskutiert werden. So wie es sich nach dem Grundgesetz gehört.