Open Data – Chancen und Grenzen?
Ein neues Schlagwort macht die Runde. Die Rede ist von „Open Data“. Es geht dabei um Daten, die für alle im Netz öffentlich zugänglich sind. Diese Daten werden izum einen von urheberrechtlich geschützten Daten unterschieden, die keinesfalls alle verwenden dürfen, zum anderen – und dies ist der Schwerpunkt der derzeitigen politischen Debatte – geht es um den öffentlichen Zugang zu Regierungs- und Verwaltungsdaten. Bis vor einigen Jahren unterlagen diese in Deutschland weitgehend dem Amtsgeheimnis. Seit einigen Jahren werden im Bund und in zunehmend mehr Ländern Gesetze verabschiedet, nach denen jedermann ohne Voraussetzung Anspruch auf die Übermittlung solcher Daten oder die Einsicht in solche Daten hat, sog. Informationsfreiheitsgesetze. Umfassend gibt es einen solchen Anspruch aufgrund von EU-Recht im Umweltrecht (Umweltinformationsgesetz). Dieser Anspruch ist oft eingeschränkt, weil es gegenläufige Interessen gibt, so den Schutz von personenbezogenen Daten oder den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Auch staatliche Interessen können gegen eine Veröffentlichung sprechen. Die Ausnahmelisten in den verschiedenen Informationsfreiheitsgesetzen sind relativ umfassen (vgl. z. B. §§ 3 – 6 IFG Bund).
Open Data ist nun ein ganz neuer Ansatz in diesem Zusammenhang. Dabei geht es darum, dass Bürger nicht einfach ein Anspruchsschreiben an eine Behörde schicken und dann von dieser Informationen oder Akteneinsicht bekommen. Vielmehr sollen die entsprechenden Informationen in einem geeigneten Format öffentlich zugänglich gemacht werden und dann über Internetplattformen von den Bürgern aktiv eingesehen werden können.
In einigen Ländern (z. B. in Berlin) und in vielen Kommunen laufen entsprechende Aktivitäten.
Grundsätzlich ist eine solche aktive Information wichtig. Unabhängig von dem Begriff „Open Data“ gibt es dies zunehmend auch in traditionell für Bürger offenen Verfahren wie Bauleitplanverfahren oder Planfeststellungsverfahren. Hier wird das Internet immer mehr als Instrument auch zur Information für die Öffentlichkeit eingesetzt, zum einen, weil dadurch Verwaltungsleistungen erleichtert werden, zum anderen aber auch, weil die Zugänglichkeit der Information für die Bürger größer wird. Auch informelle Bürgerbeteiligung über Internet ist eine durchaus übliche Praxis in vielen Kommunen.
Open Data geht über solche einzelnen Gesetze allerdings weit hinaus. Die Verfechter von „Open Data“ stellen sich vor, dass ein strukturierter Zugang möglich ist, der unabhängig von einzelnen Verfahren oder Anlässen die Verwaltungsinformation zugänglich macht. Dies erleichtert zum einen die Arbeit der Behörden, die nicht mehr einzelnen Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgesetzt sind und hierfür Personal zur Verfügung stellen müssen, sondern den Bürgern den Zugang nur ermöglichen. Die konkrete Anfrage muss der Bürger selber bearbeiten. Zum anderen ist es auch für die Bürger einfacher, weil Hemmschwellen, die im komplizierten Antragsverfahren liegen, wegfallen.
Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten und Grenzen. Eine der zentralen Grenzen ist technischer Art. Wenn jede Stadt ihren eigenen Open-Data-Zugang gestaltet und diese Zugänge sich in den Systematik und Struktur unterscheiden, entsteht ein Wirrwarr, den nur professionelle Informationsbeschaffer vielleicht überwinden können. Wer auch immer in einer solchen Situation bei einer Behörde, einer Kommune oder einem Land Informationen abfragen will, muss jedes Mal ein anderes Fenster öffnen, andere Stichwörter eingeben oder an anderer Stelle des Bildschirms arbeiten. Es ist daher dringend anzuraten, dass hier zumindest eine einheitliche Grundstruktur erarbeitet wird und nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht – ein in der föderalen Struktur unseres Landes schwer zu erreichendes ZIel.
Zum anderen ist es naturgemäß schwierig, Interessen zu bewerten, die gegen eine Veröffentlichung einzelner Daten sprechen. Viele Verwaltungsinformationen enthalten ja nun einmal personenbezogene Daten von Dritten, seien es die der Nachbarn der Einsichtnehmenden, seien es solchen von Firmeninhaber, Antragstellern aller Art oder derjenigen, die von Ordnungsverfügungen betroffen sind. Solche Daten können schon wegen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht ohne weiteres für jedermann zugänglich gemacht werden. Dabei ist die Schutzbedürftigkeit einzelner personenbezogener Daten im Verhältnis zum Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einzelnen Verfahren und Beteiligungen unterschiedlich. Wer Einwendungen in einem Bauleitplanverfahren erhebt, muss damit einverstanden sein, dass sein Name in der Öffentlichkeit genannt wird. Es geht um die Beteiligung an einem politischen Prozess. Die anonyme Beteiligung in einem politischen Prozess widerspricht dem Demokratieprinzip. Wer demgegenüber in einem Baugenehmigungsverfahren einen Antrag stellt oder Einwendungen gegen das Bauvorhaben auf Nachbargrundstücken erhebt, ist nicht Beteiligter in einem politischen Prozess. Es geht um die konkrete Abwägung der Interessen einzelner Personen. Hier sind weder die Daten des Bauherrn noch der Nachbarn üblicherweise für die Öffentlichkeit bestimmt. Vergleichbare Fälle gibt es auch in viel empfindlicheren Bereichen (z.B. bei Gesundheitsdaten). Das gleiche natürlich auch für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Wenn in einem Genehmigungsverfahren oder einem sonstigen Verfahren bestimmte Produktionsverfahren dargelegt werden müssen, damit die Genehmigungsfähigkeit geprüft werden kann, darf es nicht sein, dass die Konkurrenz über Informationsfreiheit und Open Data die Produktionsverfahren ausforschen kann. Dies dient weder den Geschäftsinteressen desjenigen, der her Anträge stellt, noch dient es einem ordentlichen Verwaltungsverfahren, weil dann diejenigen, die Betriebsgeheimnisse haben, versuchen, möglichst wenig Informationen in ein solches Verfahren hineinzugeben, um nicht der Gefahr des Nachahmens und Ausspionierens ausgesetzt zu sein.
Einzelfallbezogene Interessenabwägungen lassen sich in einem Open Data-Prozess nicht durchführen. Vielmehr müssen entsprechende Prozesse im Voraus für eine Vielzahl von Informationen ziemlich abstrakt stattfinden. Hier müssen in der Regel wohl weit mehr Daten gesperrt werden, als dies bei Einzelauskünften möglicherweise der Fall ist. Bei Einzelauskünften kann ja der jeweilige Sachbearbeiter bewerten, welche Informationen herausgegeben werden können und welche nicht. Er kann auch ggf. – und auch das ist vielen Informationsfreiheitsgesetzen vorgesehen (z. B. in § 8 Abs. 1 IFG Bund) – die betroffenen Personen oder Firmen anhören und erst danach entscheiden. All dies lässt sich beim öffentlichen Zurverfügungstellen einer Vielzahl von Daten praktisch nicht machen.
Insofern sind die rechtlichen Möglichkeiten zur Zugänglichmachung von Verwaltungsdaten für die Öffentlichkeit im Internet wegen des Schutzbedürfnisses Dritter eingeschränkt. Man wird nur einen begrenzten Kreis von Informationen öffentlich darstellen können. Aber auch dieser Kreis kann schon so weitreichend sein, dass Open Data ein sehr lohnendes Projekt ist.
Dr. Helmut Redeker