18.03.2013

Skandalisierung ohne Skandal: das Bonusprogramm der DB und der Spiegel

Portrait von Niko Härting
Niko Härting

"Spiegel Leser wissen mehr." Der alte Werbeslogan gilt nicht für den Bericht über das Bonusprogramm der Deutschen Bahn, der in der neuesten Spiegel-Ausgabe auf Seite 74 zu finden ist und auf Spiegel Online mit der reißerischen Überschrift "Bahn will Reisedaten ihrer Kunden verkaufen" beworben wird ("Umstrittenes Geschäftsmodell: Bahn will Reisedaten ihrer Kunden verkaufen", Spiegel Online v. 17.3.2013).

Es geht um Bedingungen des bahn.bonus-Programms der Deutschen Bahn, die im Internet leicht zu finden sind ("Bedingungen für Teilnehmer am bahn.bonus-Programm der Deutschen Bahn AG (bahn.bonus)" v. 9.12.2012). Akribisch formuliert, ohne Scheu vor Stilblüten. Der Leser erfährt unter anderem, dass es so etwas wie eine "klassenlose bahn.bonus Card" tatsächlich gibt.

Vermeintlicher Stein des Anstoßes

Je weiter und teurer die Reise, desto mehr Punkte. Das ist nicht nur bei den Airlines einleuchtend. Daher überrascht es wenig, dass die Deutsche Bahn entsprechende Reisedaten der Vielfahrer erfasst. Stein des Anstoßes laut Spiegel: Die Bahn behält sich vor, die Reisedaten "für Marketingzwecke" zu nutzen. Der Bonuskunde aus Berlin, der häufig erster Klasse nach Hamburg fährt, muss daher damit rechnen, entsprechende Sonderangebote zu erhalten.

Sonderangebote bei den eigenen Kunden ja, "Verkauf" von Daten an Dritte Fehlanzeige. Weder in den bonus-Bedingungen noch an anderer Stelle findet sich im Kleingedruckten der Bahn auch nur der leiseste Hinweis auf die Absicht einer Weitergabe von Kundendaten an Dritte. Im Gegenteil: Ein Journalist, der wirklich an den Fakten interessiert ist, würde die "Ergänzenden Hinweise zum Datenschutz bei bahn.bonus" lesen, in denen es heißt:

"Personenbezogene Daten werden weder an die am bahn.bonus-Programm teilnehmenden Kooperationspartner noch an unberechtigte Dritte übermittelt."

("Ergänzende Hinweise zum Datenschutz bei bahn.bonus", abrufbar über den Link "Datenschutzhinweise (PDF, 38KB" bei den "Konditionen" auf der Unterseite "bahn.bonus - das Bonusprogramm der Bahn")

Skandalisierendes Presse-Echo

Ärgerlich: Von Zeit online ("Deutsche Bahn will Reisedaten ihrer Kunden verkaufen", Zeit Online v. 17.3.2013) bis Focus online ("Deutsche Bahn will Kundendaten für Werbung nutzen", Focus Online v. 17.3.2013) wird über den vermeintlichen neuen "Datenskandal" ohne jegliche eigene Recherche berichtet. Und Datenschutzbeauftragte wie Thilo Weichert lassen einmal wieder die Zurückhaltung vermissen, die ihr Amt ihnen vorschreibt (siehe Härting, "Öffentlichkeitsarbeit einer Landesbehörde", CR 2011, 585, zur Frage "Warum die 'Facebook-Kampagne' des ULD verfassungswidrig ist"): Weichert hält die Bonusbedingungen - ungeprüft - für "unzulässig" und spricht von einer "blutigen Nase", die sich die Deutsche Bahn holen werde (zitiert nach "Deutsche Bahn will Reisedaten ihrer Kunden verkaufen", Zeit Online v. 17.3.2013 im zweiten Absatz unter "Profile bilden" und nach "Deutsche Bahn will Kundendaten für Werbung nutzen", Focus Online v. 17.3.2013 unter "Skepsis macht sich breit").

Reaktion der Deutschen Bahn

Ein Skandal, frei erfunden im Hause des Spiegels. Da wirkt die Pressemitteilung der Deutschen Bahn geradezu verhuscht ("Deutsche Bahn: Keine Weitergabe von Kundendaten an Dritte • Kundendatenschutz beim bahn.bonus-Programm uneingeschränkt gewährleistet", Presseinformation der DB Mobility Logistics AG v. 17.3.2013). Wenn die Skandalmaschine aus Hamburg über die Republik rollt, angesehene Publikationen erfasst und die Vertreter von Aufsichtsbehörden zu flotten Sprüchen animiert, traut sich nicht einmal das betroffenen Unternehmen mehr, Klartext zu sprechen.

 

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